Die Millennium Season
Samstag, 2. Oktober, 1999Dieser Artikel erschien ursprünglich in dem Online-Magazin „Melting Pot“ der Uni Zürich (für das ich übrigens auch das Layout entwickelte).
Wie jedes Jahr im Herbst starten die grossen US-amerikanischen TV-Networks auch jetzt wieder in eine neue Programmoffensive. Es ist die Zeit neuer Serien und Shows, im Kampf um die Zuschauergunst starten die Sender ihre neuen Eigen- und Auftragsproduktionen.
Fast 30 neue Serien laufen in den Monaten September und Oktober auf den verschiedenen TV-Stationen an – darunter ist etwas für jede Zielgruppe und jeden Geschmack. Und auch wenn es sich letztenendes doch nur um Marktanteile und Einschaltquoten dreht, versuchen die Macher der neuen Serien immer wieder, anspruchsvolle Unterhaltung zu liefern. Mal gelingt es weniger, mal mehr.
Teen ist top
Der eindeutige Trend des ausgehenden TV-Jahrzehnts geht in Richtung Teen und Twen-TV. Vor allem die Zielgruppe der weiblichen Teenager wurde
Sabrina The Teenage Witch. |
in den letzten 5 Jahren erst richtig für die Primetime ab 20 Uhr entdeckt.
Für uns schwer vorstellbar, aber Teenager-Serien wie „Beverly Hills 90210“
oder „Party of Five“ werden in den USA durchweg erst ab 20 Uhr ausgestrahlt, „Sabrina, The Teenage Witch“ (die diesen Herbst in die vierte Staffel startet) sogar erst gegen 21 Uhr. Dennoch erzielen die Shows auch bei jungen Zuschauern durchweg gute Einschaltquoten.
Einer der ersten Vorläufer dieser „Teen-Bewegung“ war „Beverly Hills 90210“,
welches 1989 startete und dieses Jahr die zehnte und (endlich) letzte Staffel zeigt. (Eine Spin-Off ist aber schon in Planung). Weitaus anspruchsvoller und richtungsweisend für das neuentdeckte Genre war dann die 94er Produktion „My So-Called Life“ („Willkommen im Leben“), die bereits nach einem halben Jahr kläglich an schlechten Quoten scheiterte, jedoch bis heute auch bei Branchen-Insidern als eine der handwerklich besten Teenager-Serien der letzten Jahre gehandelt wird.
Time Of Your Life |
Auch 1994 gestartet ist „Party of Five“, nach ebenfalls sehr schlechten Quoten im ersten Jahr mittlerweile eine der erfolgreichsten Teenie/Twen-Shows der USA und bringt es in diesem Jahr sogar zu einer eigenen Spin-Off Serie. In „Time Of Your Life“ sucht
Sarah (Jennifer Love Hewitt, „I know what you did …“) ihren leiblichen Vater in New York. Kritiker geben der neuen Show jedoch im Kampf gegen die anderen neuen Teenager-Shows keine grossen Überlebenschancen. Die Drehbücher seien schwach, viele Storylines von der Hit-Serie „Felicity“ abgekupfert. Mittlerweile wurde die Pilot-Episode von „Time of your life“ zweimal neu gedreht.
the WB
Fast ausschliesslich auf diese Teen/Twen Zielgruppe konzentriert hat sich das relative junge WB Network, ein Ableger der Warner Brothers Firmengruppe. Gegen die alteingessenen Quotengiganten ABC, CBS, NBC und FOX hat das WB durch diese „Spezialisierung“ auf Teenager-Serien in überraschend kurzer Zeit einen hohen Marktanteil errungen. Mit
Erfolgsserien wie „Buffy, The Vampire Slayer“ („Buffy – Im Kampf gegen die Dämonen“), „Dawson’s Creek“ sowie dem 1998er Hit „Felicity“ hat sich das junge Network einen Namen gemacht und vor allem eine grosse Anhängerschaft gesichert, obwohl Sendungen des WB nicht landesweit flächendeckend empfangen werden können. Auch in der neuen „Millenniums“-Season soll diese Teen/Twen-orientierte Strategie weiterverfolgt werden.
Roswell |
Ein erster Höhepunkt des neuen WB-Herbstprogrammes ist „Angel“, eine
Spin-Off der erfolgreichen Vampir-Serie „Buffy, The Vampire Slayer“ (mit Sarah Michelle Gellar, „Eiskalte Engel“). David Boreanez, der Darsteller der Figur „Angel“ hat damit seine eigene Show bekommen, in der er Vampire und Dämonen in Los Angeles bekämpfen wird. Begleitet wird er dabei von Charisma Carpenter (alias Cordelia) und Glenn Quinn
(Becky’s Ehemann in „Roseanne“). Natürlich wird es in den ersten Episoden zu zahlreichen „Cross-Overs“ kommen, bei denen Stars aus der einen Serie in der anderen Serie einen Gastauftritt haben. So soll das Publikum auch an die neue Show gebunden werden.
Ausserdem setzt das WB erneut auf die bewährte Kombination Mystery und Teenager mit
der neuen Serie „Roswell“, die sich auf eine HighSchool in dem vermeintlichen UFO-Landeort Roswell, New Mexico konzentriert. Die Handlung spielt in den 60ern und handelt von den alltäglichen „Problemen“ einer kleinen Gruppe von ausserirdischen Teenagern, die unerkannt unter den normalen Teenager leben.
„Popular“ ist der Titel der dritten neuen Teenager-Serie des WB-Networks, in der es sich im wesentlichen um die Konflikte zwischen reichen und armen, beliebten und unbeliebten, normalen und ausgeflippten Schülern dreht.
Geeks und andere Freaks
Freaks and Geeks |
Spätestens in diesem Jahr haben auch die anderen TV-Stationen diesen Trend zu „Teenager-TV“ erkannt und aufgegriffen. NBC hat mit der Teenager-Serie „Freaks and Geeks“ einen Volltreffer gelandet. Die Show, die man am ehesten als eine Mischung zwischen „The Wonder Years“(„Wunderbare Jahre“) und „My So-Called Life“ bezeichnen kann, spielt in den 80er Jahren und beschreibt das alltägliche Leben an amerikanischen High-Schools zu jener Zeit. Die Handlung dreht sich nicht um die High-School-Oberklasse wie in „Beverly Hills 90210“, sondern um die Sorgen und Nöte ganz normaler Schüler, Streber oder Aussenseiter. Schon nach der ersten Episode, die Ende September ausgestrahlt wurde, gab es exzellente Kritiken und auch die Einschaltquoten waren überraschend gut.
fortysomething
Aber auch ohne Teenager in den Hauptrollen lassen sich derzeit erfolgreiche neue Serien an den Mann / die Frau bringen. Einer der neuen Quotenhits für die „ältere Generation“ ist
Once and Again |
die ABC-Serie „Once and Again“, in der es um zwei geschiedene Elternteile geht,
die sich kennenlernen und ineinander verlieben und nach vielen Jahren Ehe erst wieder lernen müssen, was es heißt, ein „Date“ zu haben. Tatkräftig unterstützt werden sie dabei von
ihren jeweiligen Kindern aus erster Ehe, die ihnen das notwendige „Wissen“ an die Hand geben …
Was sich nach alltäglicher Sitcom anhört, ist jedoch eine aufwendig und sorgfältig produzierte Serie, die viel Wert auf anspruchsvolle Drehbücher legt.
Ausserdem neu im ABC-Programm findet sich die Serie „Wasteland“ vom „SCREAM“– und „Dawson’s Creek“-Macher Kevin Williamson. Diese Show konzentriert sich auf eine kleine Gruppe von beinahe-30jährigen, die gerade das College beendet haben. Auch hier geht es um das alltägliche Leben von Menschen, die sich an einem wichtigen Wendepunkt in ihrem Leben befinden. Produziert wird das ganze von Outerbanks Productions als Co-Projekt mit Miramax (die independent-Macher hinter „Shakespeare in Love“).
Wie bei Miramax nicht anders zu erwarten sind die Gebrüder Bob und Harvey Weinstein neben Kevin Williamson ausführende Produzenten. Rebecca Gayheart („Urban Legends“) und Brad Rowe sind wohl die bekanntesten Stars der neuen Show.
In eine ähnliche Bresche schlägt auch NBC’s „Cold Feet“, das sich um 3 junge
Paare im Alter knapp jenseits der 30 dreht. Ein Paar hat sich gerade erst kennengelernt, das zweite erwartet bereits ein Kind und das dritte Paar wurde gerade Eltern.
Aber auch humorige Shows kommen nicht zu kurz: „West Wing“ ist zum Beispiel eine
Show, die voll und ganz im Fahrwasser der Lewinsky-Affaire schwimmt und von den Leute
und dem Leben hinter den verschlossenen Türen des Weissen Hauses erzählt. Stars der neuen Serie sind Martin Sheen und Rob Lowe.
Ally McBeal |
Einen recht ungewöhnlichen Coup hat David E. Kelley, der Macher von „Chicago Hope“, „Picket Fences“
und „Ally McBeal“ gelandet. Ihm ist es gelungen, eine Show gleich zweimal zu vermarkten: Die auch im deutschsprachigen Raum ausgestrahlte Serie „Ally McBeal“ wird erneut aufgelegt, allerdings in einer kürzeren 30-Minuten Version. „Ally“, so der Titel der Kurzversion, soll vor allem bisher ungezeigte Szenen der ersten Staffel präsentieren und mehr auf die einzelnen Charaktere der Original-Show eingehen. Kritiker zeigten sich von ersten Test-Previews allerdings nicht sonderlich beeindruckt, es wird nicht erwartet, daß die Show die erste Season überdauern kann.
David E. Kelley hat aber noch ein weiteres neues Eisen im Feuer: „Snoops“ ist der Titel einer neuen Krimi-Serie um eine junge Detektiv-Agentur. Aber auch hier scheint der bisher von Erfolg verwöhnte Produzent keinen Hit landen zu können. Das Genre der Detektiv-Serien ist schon zu ausgereizt, es gibt nichts, was es noch nicht gab und entsprechend negativ waren die Kritiken der ersten Episoden. Schlechte Kritiken waren aber noch nie definitive Anzeichen für einen Quoten-Mißerfolg, ganz im Gegenteil…
Gone for Good
Die Produktion folgender Serien wurde
eingestellt, Fans brauchen nicht mehr auf neue Folgen zu hoffen:
ABC: „Home Improvement“, „Cupid“ (schon länger gecancelled), „Strange World“ (eine Mystery/SF-Eintagsfliege) und „Fantasy Island“.
NBC: „Mad about you“, „Caroline In The City“, „Working“, „NewsRadio“, „Encore! Encore!“ und „Homicide“.
FOX: „Melrose Place“ und „Millennium“ (Chris Carter hat mit „Harsh Realm“ aber wieder eine neue SF/Fantasy Serie im Rennen)
WB: „Unhappily Ever After“, „Rescue 77“, „Smart Guy“, „Sister Sister“ und „Hyperion Bay“.
Soweit eine kleine Übersicht über die neue Seriengeneration im US-Fernsehen. Natürlich
war das nur eine kleine, subjektive Auswahl aus der Flut an neuen Serien. Dennoch sind
oben genannte Shows wohl diejenigen mit den grössten Erfolgschancen und wer sie auf dem heimischen TV-Bildschirm sehen will: frühestens in 12 Monaten werden auch wir in Mitteleuropa in den Genuss der neuen Serien kommen.