Zu den Golden Globes äußere ich mich mal noch nicht – ich habe bisher nur die erste Stunde „live on tape“ gesehen. Dennoch ist mir bei den Nominierungen mal wieder aufgefallen, wieviele US-Topserien hier in Deutschland noch auf ihre Ausstrahlung warten. Unabhängig von dem, was wunschliste.de anbietet (und von den GG-Nominierungen), hier mal eine persönliche „Top 7 der Vergessenen Serien in Deutschland“ (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
7. Law & Order, Law & Order Criminal Intent, Law & Order Special Victims Unit – Da die „Mutter“-Serie des L&O-Dreigespanns nun doch in Deutschland auf Premiere ein Zuhause findet, sei sie hier nur ehrenhalber erwähnt. Früher liefen solche Krimi-Serien auf den Privatsendern ‚rauf und ‚runter – mittlerweile setzen diese TV-Stationen lieber auf Eigenproduktionen. Wann und ob die Spin-Offs jemals das Licht der deutschen PAL-Welt erblicken, bleibt fraglich.
6. NYPD Blue – Im ähnlichen Fahrwasser wie L&O schwimmt auch der UrVater der modernen Cop-Serie: NYPD Blue. Mittlerweile gibt es schon mehr als 11 oder 12(?) Staffeln, aber Pro7 konnte sich nicht überwinden, mehr als eine Handvoll Staffeln zu zeigen. Schön, die „verwackelte“ Kameraführung ist nicht jedermanns Sache, aber für einen wöchentlichen 23:15 Sendeplatz wäre die Serie sicherlich nicht zu schade.
Eigentlich könnte man in dieser Krimi-Reihe auch noch HBOs „Oz“ erwähnen, das meines Wissens auch noch nicht auf einem deutschen Sender lief. Die 56 Episoden der rabiaten und mittlerweile beendeten Serie dürften es aber auch IMHO recht schwer haben, eine FSK16-Freigabe zu bekommen. Außerdem konnte ich mich mit den paar Episoden, die ich bereits sehen konnte, nicht sonderlich anfreunden. Also weiter zu etwas mehr familienfreundlicherem…
5. Once & Again – *Seufz*. Man kann VOX nicht vorwerfen, dass sie es nicht versucht haben. Immerhin zeigten sie 2001 acht Folgen in der PrimeTime, bevor die Quoten wirklich nicht mehr tragbar waren. Für Otto Normalzuschauer war die Serie um die Patchworkfamilie der Sammlers und Mannings wohl dann doch zu realitätsnah und Action gab’s auch keine. Dazu noch der sehr ungünstige Sendeplatz mit „7th Heaven“ als Lead-In und „Emergency Room“ als Konkurrent auf Pro7 gab der Show in Deutschland keine großen Überlebenschancen. Und man muss auch zugestehen: International hatte die von Kritikern hochgepriesene Serie auch keine Chance – oft wurde sie auch nur nach wenigen Staffeln auf einen späten Sendeplatz verbannt oder abgesetzt. In den USA schaffte es die Serie immerhin auf drei Staffeln. Dabei bot die Serie jede Woche niveauvolle Unterhaltung mit exzellenten Darstellern (u.a. Sela Ward, Evan Rachel Wood („Thirteen“)) und Scripten. Hoffentlich zeigt VOX die Serie irgendwann mal noch im Nachmittagsprogramm komplett – es wäre wirklich schade, wenn dieses Kleinod nie jemand mehr zu sehen bekäme. Und das Serienfinale ist wirklich herzzerreissend 🙂
4. The Practice – Immerhin wurde ja schon mal die Hälfte der Serie ausgestrahlt. Vier Staffeln zeigte Pro7 ca 1999/2000 im Eilverfahren für die elitäre Gruppe der Schichtarbeiter, Hausfrauen, Arbeitslosen und Videorekorder mittags um Punkt 12 Uhr – dazu auch noch schön zurecht geschnippelt, damit der FSK12-Aufkleber gerechtfertigt ist. Mit Mühe und Not sendete dann Kabel 1 eine Wiederholung der ersten Staffel, bis auch hier die Quoten-Luft dünn wurde. Schade drum. Die Anwaltsserie aus der Feder von David E. Kelley (DEK) überzeugt durch spannende Kriminalfälle, kuriose Mandanten und interessante Charaktere. Warum „ER“ in Deutschland erfolgreich ist, aber „The Practice“ nicht, bleibt mir ein Rätsel.
3. Boston Public – Und noch mal DEK. Liebes VOX, was ist los? Mittlerweile gibt es schon vier Staffeln von der Hitserie des „Picket Fences“- und „Ally McBeal“-Erfinders David E. Kelley über Schüler und Lehrer der finanziell schwach ausgestatteten öffentlichen High-School in Boston – und in Deutschland war noch nicht mal der Hauch einer Andeutung einer Ausstrahlung zu sehen. Dabei hat VOX doch mit „Ally McBeal“ so gute Erfahrungen gemacht und gehört neben Pro7 noch eher zu den „US-affinen“ Sendern. Es wird hier mit Sicherheit „Feldversuche“ bei Probezuschauern gegeben haben (VOX macht das überraschend häufig) – ich denke mal die fehlende Ausstrahlung zeigt indirekt das Ergebnis dieser Testsendungen.
2. The Sopranos – Ja, das ZDF hat es 2001/2002 zweimal versucht – und ist typisch öffentlich-rechtlich an der Herausforderung gescheitert. In der Kategorie „Ferner Liefen“ samstags und/oder sonntags nachts, mit teilweise mehrstündigen Programmverschiebungen und ohne jegliche Promotionaktionen wurden drei Staffeln unter Ausschluss der Öffentlichkeit versendet. Die Zuschauerzahlen wurden mühsam in Hunderttausender-Schritten gemessen und die Redakteure der einschlägigen Programmzeitschriften bemühten sich vergeblich, fast jede Episode der Kultserie in ihren Zeitschriften mit Punkten, Sternen und Daumen hervorzuheben. Hatte das ZDF wirklich keinen besseren Sendeplatz für die teilweise satirisch-böse Serie rund um die Mafia-Familie Soprano? Offenbar war der zuständige Redakteur der Abteilung „Serien“ schon froh, die Serie überhaupt im Programm untergebracht zu haben. Ob das ZDF jemals die vierte Staffel zeigt, wird selbst Tony Soprano himself nicht in Erfahrung bringen können.
1. The West Wing – Gerüchten zufolge hat die RTLGroup mittlerweile die Rechte, aber womöglich wissen sie selber gar nicht, welch qualitativ hochwertige Serie sie da im Archiv vergessen haben. Insbesondere die ersten beiden Staffeln der mit Emmys und Golden Globes in Massen überhäuften Serie zählen zu dem Besten, was das US-Fernsehen in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Von Kritikern auf den ersten Blick oft als US-patriotisch-verherrlichende Hollywood-Schöne-Welt-Propaganda (wow, das waren eine Menge Bindestriche ;-)) abgetan, zeichnet „West Wing“ doch faszinierend spannende Geschichten rund um das höchste Amt im US-Staat. Auch wenn an einigen Stellen durchaus patriotisch-verklärenden Stories durchschimmern, so dominiert insgesamt doch ein überaus interessanter Einblick in die Welt der politischen Intrigen, dreckigen Kompromisse und komplizierten Charaktere. Erstklassige Drehbücher und hervorragende Darsteller machen „The West Wing“ zu einem echten Must-See — aber leider wohl nicht für Otto Normalverbraucher, der lieber „Ich bin ein Star – schenkt mir Hirn!“-Shows bis zum Abwinken in sich ‚reinfrisst. Der ehemalige ARD-Programmdirektor wurde einmal in einer großen TV-Zeitung mit den Worten zitiert, dass US-Produktionen wie „The West Wing“ nicht kompatibel mit dem deutschen Geschmack seien. Gottseidank gibt’s die ersten beiden Staffeln mittlerweile auf DVD, so dass mein „inkompatibler“ Geschmack sich genüßlich austoben kann…