Was von der "Full Hour" übrig blieb…

39 Minuten und ein paar Sekunden. Das ist in zunehmenden Maße die effektive Netto-Laufzeit einer durchschnittlichen Drama-Serie in den USA. Mit den „Previouslies“ (also Rückblicke auf vorangegangene Episoden) kommt man vielleicht auch mal auf 41 Minuten – die vor ein zwei Jahren noch üblichen 42 Minuten Handlung werden für diese so genannten „Full Hour“ Serien immer seltener erreicht (Analog gilt das auch für Sitcoms, die sich immer näher an die 20 Minuten Schallmauer herantasten). Mit dem Durchbrechen der 40-Minuten Marke hat damit ein Trend vorerst seinen traurigen Höhepunkt gefunden, der eigentlich vor allem in den letzten 10 Jahren stattfand. Bis in die 70er Jahre hatten TV-Produktionen in den USA eine Laufzeit von 51 Minuten, danach begann der Wert langsam zu schrumpfen. Seit Mitte der 90er Jahre reduzierte sich die Laufzeit jedoch in großen Schritten – noch 1994 hatten „Full Hour“ Serien eine Laufzeit von 48 Minuten.

Hinzu kommt für Europäer dabei der so genannte „PAL Speedup“, der durch den Transfer von neueren US-Serien, die heutzutage überwiegend auf Film-Material gedreht werden (24 Bilder pro Sekunde, z. Bsp. 35 mm Panavision) auf europäische Sendenormen (PAL, 25 Bilder/s) verursacht wird – er macht in der Praxis etwa 4 Prozent aus. Eine 39 minütige Episode wird durch diese Beschleunigung auf etwas unter 38 Minuten verkürzt. (Das ganze ist in Wahrheit allerdings noch eine ganze Ecke komplizierter, wer sich tiefer mit der Materie beschäftigen will und sich wundert, warum im US-TV (NTSC, 30 Bilder/s) die Serien kein „Speedup“ erfahren, kann sich ja mal mit den Stichwörtern „3:2 pulldown“, „Blending“ und „Interlacing“ vertrauensvoll an Google wenden).

In Deutschland hat man damit nämlich so oder so ein Problem. Paragraph 45 des Rundfunkstaatsvertrag (ja, auch wenn es ein „Staatsvertrag“ ist, gilt er auch für die Privaten) gestattet nur 12 Minuten Werbung pro Stunde (20% pro Stunde). Man kann zwar durch Eigenwerbung diese Lücke von 9 Minuten etwas füllen, aber knapp wird es dennoch, vor allem wenn nicht genügend Buchungen für einen Werbeblock vorliegen. Dann muss der Sender das Material etwas „strecken“, also ein paar Prozent langsamer spielen oder/und nach dem Werbeblock nochmal zurückspulen. Die einfachere Methode, den jeweiligen Abspann auch komplett zu zeigen, kommt auf werbefinanzierten Sendern allerdings scheinbar nicht in Frage…

In den USA ergreifen die Sender erste Maßnahmen, um die „Zuschauerabwanderung“ während der zahlreichen Werbeblöcken pro Episode zu stoppen. So werden in einigen Serien in der Halbzeit einer Episode erneut „Mini-Previouslies“ eingefügt, die dem vergesslichen Zuschauer nochmal die bisherige Handlung der Episode in Kurzform vorführen – was die Netto-Laufzeit aber nochmals reduziert…

Die lobenswerte Ausnahme bleiben damit (erwartungsgemäß) die Eigenproduktionen der US-PayTV Stationen HBO und Showtime. Produktionen wie „Sopranos“, „Carnivale“ und „Six Feet Under“ haben „echtes“ Full-Hour Format: 57 Minuten und mehr sind durchaus gängig. Das bietet natürlich auch ganz andere Möglichkeiten für die Story-Entwicklung innerhalb einer Episode. Sobald aber ein deutscher Free-TV-Sender ein solches 60-Minuten-Format in sein Werbeblockschema pressen will, wird’s wieder kompliziert. Daher darf man gespannt darauf warten, was VOX im Herbst mit „Six Feet Under“ anstellt. Werbetechnisch am sinnvollsten ist die Ausstrahlung im Doppelpack: Zwei solcher Episoden haben Spielfilm-Laufzeit und passen somit problemlos in die Werbeschemata.

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