Misfits
Wenn die Amerikaner mit ihren Drama-Serien-Neustarts dieses Jahr eher ein mäßiges Resultat erzielt haben, muss man halt mal wieder ‚rüber zu den Briten schauen, was die so machen. Und dort hat E4, die auch bereits für „Skins“ verantwortlich zeichneten, eine interessant klingende neue Show im Angebot: Misfits.
Das Setup der Serie ist ein etwas unkonventionelles Mystery-Teen-Mischmasch und lässt sich wohl am ehesten mit „Skins meets The Fantastic Four“ umschreiben — Parallelen zu „Heroes“ liegen auf der Hand. Eine Gruppe von jugendlichen Kleinkriminellen wurde aus verschiedenen Gründen zu einigen Stunden Community-Arbeit verurteilt. Die aus sehr unterschiedlichen Figuren bunt zusammengewürfelte Truppe macht sich erwartungsgemäß mit wenig Begeisterung an ihre Aufgaben und es dauert auch nicht lange, bis erste Konflikte zwischen den Charakteren zu Handgreiflichkeiten ausarten. Doch der vermeintliche Alltag wird jäh unterbrochen, als ein mysteriöser Unwettersturm über die kleine Gruppe hinwegfegt und ein Blitz in die Teens und ihren Betreuer einschlägt.
Obwohl zunächst alles recht normal wirkt, stellt sich allmählich heraus, dass der Blitz einige übermenschliche Kräfte aktiviert hat. Kräfte, die immer einen gewissen Bezug zur Persönlichkeit der jeweiligen Figur haben, so wandelt sich der ruppige erwachsene Aufseher der Truppe zunehmend in einen über-aggressiven Zombie und somit zur akuten Bedrohung für die Teens, die nun stückchenweise ihre eigenen neuen Fähigkeiten entdecken. Doch es wird auch klar, dass sie nicht die einzigen sind, die von diesem mysteriösen Unwetter verändert wurden.
Nimmt man die zweite Episode als Grundlage, wird ein Großteil der Staffel wohl jede Folge einen der Charaktere in den Mittelpunkt stellen und seinen persönlichen Hintergrund sowie die Auswirkungen des Sturms auf seinen Alltag porträtieren, gemischt mit einem storm-freak-of-the-week. Gerade die zweite Folge zeigte dabei einen interessanten Reifungsprozess der Hauptfigur (und eine der bizarrsten Sex-Szenen der TV-Geschichte). Die neuen Kräfte sind meist keine Comic-typischen und kontrollierbaren „Super-Powers“, sondern sind vielmehr aus den tiefsten Unsicherheiten der Charaktere generierte Fähigkeiten — oftmals mehr eine lästige Eigenheit als eine gewollte Macht.
Noch kann man sich anhand der beiden Episoden noch kein abschließendes Urteil bilden, aber da liegt sicherlich einiges an Potential in dem Konzept und der Umsetzung der Show. Sicherlich nutzt „Misfits“ ähnlich wie „Skins“ die Freiheiten des britischen PayTV im vollen Umfang aus und setzt stark auf Gewalt, Sex und provozierende Dialoge. Gelegentlich schrammt die Show auch nur knapp an etwas zu „silly“ erscheinenden und überzeichneten Storyelementen vorbei. Doch trotz des offensichtlich limitierten Budgets gelingt den Machern der schwierige Spagat einer realistisch wirkenden Mystery-Show.
Und da der britische TV-Markt etwas mehr mit dem deutschen Markt als dem amerikanischen Pendant vergleichbar ist, muss man sich wie üblich an dieser Stelle fragen: Warum geht sowas eigentlich nicht in Deutschland? „Misfits“ mag zwar nicht der Holy Grail der TV-Unterhaltung sein, aber zumindest mal einen ähnlich unkonventionellen Versuch würde ich gerne mal „made in Germany“ sehen.
22. November 2009 um 13:28 Uhr
danke für den tipp! dürfte mein serienneustart 2009 werden. stimmt mich schon nach den ersten 2 folgen etwas traurig, dass die staffel nur 6 folgen hat, denke/hoffe aber, dass die dafür qualitativ so gut sind, wie die ersten beiden.
25. November 2009 um 15:42 Uhr
Aber in Deutschland werden doch haufenweise richtig gute Serien produziert! Unser Fernsehprogramm ist voll davon. Was können die Sender dafür, wenn ihre zahlreichen neuen und originellen Showkonzepte
vom dummen Quotenviehvon den Zuschauern einfach nicht angemessen gewürdigt werden? Die gucken ja noch nicht mal die teuer eingekauften (und oft überbewerteten) amerikanischen Serien, sondern bevorzugen Daily-Soaps, die übrigens sehr viel anspruchsvoller sind als ihr Ruf.Zu ungefähr diesem Ergebnis sind die Teilnehmer einer Diskussionsrunde (Thema: „Erfolgsmodell Serie“)während der Medientage München gekommen, die neulich auf einem der dritten Programme gesendet worden ist. Wer sich davon mit eigenen Ohren überzeugen möchte, kann dies hier tun. (Eine Zusammenfassung gibt es bei den Serienjunkies.
Tja, ich fürchte bei so viel mangelndem Problembewusstsein, können wir noch wirklich lange auf die nächste gute Serie „made in Germany“ warten.
Dass ausgerechnet „Türkisch für Anfänger“ (trotz mäßiger Story und überforderter Schauspieler) bei der Diskussion als leuchtendes Beispiel für gelungene Unterhaltung gepriesen wurde, lässt meiner Meinung nach tief blicken. Den Hype werde ich wohl nie kapieren.
Das Ärgerliche an der ganzen Sache ist nur: Es geht auch anders… Mit wahnsinnig vielen Highlights verwöhnt uns die heimische Serienlandschaft vielleicht nicht gerade, aber ein paar gibt es.
„Berlin, Berlin“ hat mir zum Beispiel wirklich gut gefallen, kein Wunder dass diese Serie sogar im Ausland erfolgreich läuft. (Warum wird die Zeit kurz nach dem Schulabschluss eigentlich nicht öfter mal thematisiert? Eigentlich doch der perfekte Rahmen für eine Coming-of-Age-Story. Man könnte die Handlung z.B. in einem Uni-Umfeld ansiedeln und daraus ein sehenswertes Projekt zimmern: Zusammentreffen unterschiedlicher Charaktere in einer Umbruchsphase, interessantes Setting, dazu noch ein originelles Plotkonzept – ich würde einen Blick riskieren.)
Und dann gibt es da natürlich noch die „Löwengrube“. Eine kleine, feine Perle, die meiner Meinung nach sogar im Vergleich mit Kalibern wie den Sopranos oder Six Feet Under eine gute Figur macht… (Ich gucke zur Zeit fleißig Six Feet Under und bin ziemlich begeistert.)
Kennt denn jemand zufällig diese Serie?
Leider verstaubt sie seit Jahren im Archiv des Bayrischen Rundfunks. Schade, von der Sorte würde ich gerne mehr im Fernsehen sehen. Immerhin ist die Löwengrube mittlerweile – zu einem horrenden Preis – auf DVD zu bekommen. (Aber wozu gibt es gut bestückte Bibliotheken?)
25. November 2009 um 19:07 Uhr
„Aber in Deutschland werden doch haufenweise richtig gute Serien produziert!“
„Mit wahnsinnig vielen Highlights verwöhnt uns die heimische Serienlandschaft vielleicht nicht gerade, aber ein paar gibt es. “
Na, was denn jetzt?
25. November 2009 um 19:36 Uhr
@Marc:
Im ersten Abschnitt mache ich mich nur ein bisschen über die Argumente lustig, die bei der erwähnten Diskussion von den teilnehmenden Fernsehleuten gebracht wurden. Und die fanden alle ihr Programm, vor allem die Serien, ziemlich gut…
Genau das ist meiner Meinung nach auch das Problem: Wenn die TV-Branche nicht verstehen will, warum deutsche Serien nicht mit den amerikanischen mithalten können, ändert sich nie was. Und das ist schade. Schließlich gibt es ja auch ein paar gute einheimische Serien, die zeigen, dass es anders geht. Sogar bei uns.
25. November 2009 um 19:36 Uhr
Hat zwar nichts mit „Löwengrube“ zu tun, aber das Stichwort Archiv erinnert mich gerade daran, dass die finale Staffel von „Mein Leben und ich“ auf RTL nach drei Jahren nun den Weg aus dem Archiv zur Erstausstrahlung(!) geschafft hat. Samstags oder Sonntags um 8:30 oder wann-weiß-ich und unter Nutzung aller nur erdenklichen Verschleierungsmaßnahmen (wenig Ankündigung in der Programmpresse, kurzfristige Programmierung, häufig wechselnde Sendezeiten). Vermutlich laufen da Ende 2009 irgendwelche Rechte aus und man musste das nun aus irgendeinem formellen Grund noch bis zum Jahreswechsel wegsenden. Man könnte geradezu meinen, dass RTL um seinen schlechten Ruf fürchtet ;-). (Es gibt die Staffel übrigens schon seit einem halben Jahr auf DVD).
Kann natürlich auch sein, dass diese letzte Staffel von MLuI so schlecht war, dass sie eigentlich in den Giftschrank gehört, aber das kann ich mir nach den exzellenten ersten beiden (und den immerhin noch soliden späteren) Staffeln nicht vorstellen.
@Marc:
Dein Ironie-/Sarkasmus-Detektor sollte glaube ich mal wieder dringend zur Wartung 😉
25. November 2009 um 20:24 Uhr
Meine Aufmerksamkeitsspanne ist abends anscheinend nicht mehr die Beste, 😉
Generell muss man mal festhalten, dass die meisten US- (oder GB-)Serien bei uns auch nicht wirklich toll laufen. Da funktionieren doch eigentlich nur House, und die ganzen Krimi-Procedurals. Alles andere holt man sich auf DVD, wo vermeintliche Flops sich verkaufen wie geschnitten Brot. Das Free-TV wird immer mehr zum Berieselungsapparat, ähnlich dem Radio. Die Zukunft fiktionaler Unterhaltung liegt liegt imho im kostenpflichtigen Vertrieb (DVD, Pay-per-View etc). Was das für die deutschen Produzenten bedeutet, wird sich zeigen.
3. Dezember 2009 um 18:30 Uhr
also ich weiß ja nicht, vvon wegen dass die meisten us- und brit-serien nicht gut laufen würden… ich erinnere mich da wage an eine ganze spanne von serien, hauptsächlich usa: wie hießen die gleich nochmal?… irgendwas mit simpsons, lost, southpark, malcom mittendrin, torchwood, scrubs, 24 – mal ganz abgesehen von alten dauerschinken wie reich und schön. selbst das A-Team bringt nach wie vor quoten.
Bin selber auch großer serienfan (speziell britische), und finde es einen jammer dass alle deutschen serien aussehen, als ob sie vom mdr produziert worden wären, regie naddel, buch florian silbereisen, tonabmischung ein tauber und schnitt: grünanlagenpflege müller:D
da sollte doch schon noch was gehen…
ahoi
20. Dezember 2009 um 23:15 Uhr
Danke für den Tipp. Hab grade die letzte Folge der Misfits gesehen und bin sehr begeistert. Großartige „freshness“ in vielen Dingen und einfach super geschrieben, gespielt und inszeniert. Da freu ich mich auf die bestätigte zweite Staffel.
War meine erste britische Serie, wenn man so sagen will. Hab als HBO-ler nur noch ein paar andere US-Serien geschaut. Deshalb sag ich mal zur Quality-TV Debatte mal Folgendes: Traurig bin ich, dass Deutschlands Serienkultur wieder mal im Vergleich noch weiter sinkt. Froh bin ich natürlich eine neue Quelle für Serienunterhaltung gefunden zu haben (ich weiß, Doctor Who und Torchwood und so gabs auch schon vorher, hab ich aber nie gesehen…).
Noch Tipps an UK-Serien??
21. Dezember 2009 um 13:54 Uhr
Doctor Who und Torchwood wurden ja schon genannt, die sind wohl „Pflichtprogramm“. (Wobei bei Torchwood reichlich Ausdauer gefragt ist, richtig gut war IMHO eigentlich erst der diesjährige Mehrteiler).
Um bei den neueren Sachen zu bleiben: Da kann ich das ungewöhnliche Teen-Drama-Spektakel „Skins“ empfehlen (passt im Stil auch zu „Misfits“), die wunderbaren Comedies „The IT Crowd“ und „Spaced„, sowie natürlich das originale UK-„The Office“ oder „Coupling“ oder „Moving Wallpaper“ oder oder oder … 🙂