Gravity
Die ersten Minuten der Starz-Serie „Gravity“ scheinen sofort alle Vorurteile zu bestätigen: Eine ultra-billige Cable-Serie mit dem Production Value einer Hobby-Hinterhof-Webserie und abstruser Exoten-Handlung. Doch nachdem man mal die grottenschlechten „Special“ Effects der Eröffnungsszenen überstanden hat, stellt man fest, dass die Handlung zwar weiterhin reichlich provokant-unorthodox ist und auch das Budget der Show definitiv jeden „Big Four“-Network-Executive nur müde lächeln ließe. Aber irgendwie entwickelt die Serie einen interessanten Charme mit kuriosen Charakteren und deren noch seltsameren Lebensgeschichten. Zudem überrascht die Serie mit durchaus bekannten TV-Gesichtern, u.a. Ivan Sergei und Ving Rhames sowie Jessica Walter.
Im Mittelpunkt steht ein für TV-Serien — insbesondere solche Produktionen mit Comedy-Anteil — ungewöhnliches Thema: Selbstmord. Doch auch hier wird im Grunde wieder ein klassisches Storykonzept umgesetzt: Werfe eine Gruppe von unterschiedlichen Charakteren zusammen und schaue, was passiert. In „Gravity“ geschieht das im Rahmen einer Selbsthilfe-Gruppe von Überlebenden von Suizid-Versuchen. Sehr verschiedene Menschen mit gegensätzlichen Hintergründen werden zusammengebracht und ihre persönlichen (und zuweilen sehr ausgefallenen) Lebens- und Leidensgeschichte thematisiert. Auch wenn die Serie oftmals mit viel Humor an das sensible Thema herangeht, so macht sie sich aber dennoch nicht über ihre Charaktere lustig, sondern versucht auch einen ernsten Blick auf die Hintergründe der meist sehr labilen Psyche der Hauptfiguren zu werfen. Im Mittelpunkt stehen dabei Lilly (Krysten Ritter, „Breaking Bad“, „Gilmore Girls“) und Robert (Ivan Sergei, „Jack & Jill“), zwischen denen sich eine kleine Romanze entwickelt.
Doch als würde die Dynamik der Selbsthilfegruppe eigentlich nicht schon für ein volles Programm reichen, haben die Macher noch eine weitere Kuriosität ins Rennen geworfen: Ein Cop (Eric Schaeffer), der neben seiner liebsten Freizeitbeschäftigung als Hypochonder der attraktiven Lilly nachspioniert und als Motivation für sein Verhalten ein buntes Bouquet aus Stalker-Menatilität, Kriminalfall-Spürnase, Vatersuche und Unrequited Love mitbringt. Er schleicht sich mit bizarren Tricks in Lillys Leben ein, während sein eigenes Leben mehr und mehr einem Trümmerfeld gleicht.
„Gravity“ ist eine der skurrilsten Überraschungen der Saison mit viel Material für Freunde des gepflegten WTF-Moments. Im kaum vorhandenen Windschatten der Starz-Serie „Party Down“ hat es diese Produktion jedoch sehr schwer. Es dauert ohne Zweifel einige Zeit, bis man sich an die seltsamen Figuren gewöhnt hat und im vollgepackten Herbst hätte ich der Show wohl nicht diese lange Chance gegeben. Sicherlich ist das Suizid-Thema und der zuweilen humorige (aber nie lächerliche) Umgang mit dem Thema („Suicide Dummies“) auch nicht jedermann Sache. Aber inzwischen haben die Charaktere meine Neugier und Interesse gebunden und ich warte gespannt auf die finalen Folgen der 10-Episoden-Staffel.
Ein kleines Phänomen ist übrigens Autor, Produzent, Regisseur und(!) Hauptdarsteller Eric Schaeffer. Er hat wohl in Hollywood keinen besonders guten Ruf: Er liebt es, Filme zu produzieren, in denen er wie bei „Gravity“ in Personalunion alle Hebel in der Hand hat und obwohl die Filme regelmäßig nur mauen Erfolg einspielen, gelingt es im dennoch immer wieder, Kapital für neue Produktionen an Land zu ziehen. Das IMDb-Forum zu seiner Person ist selbst für IMDb-Verhältnisse eine Dreckgrube. Manche nennen ihn gar den amerikanischen Uwe Boll.
Und ich merke gerade, auch in dieser Serie würde die Vorhölle-Story wieder funktionieren. Die sind bestimmt alle schon längst tot (Suizid-Versuch war erfolgreich) und stolpern sich jetzt im Afterlife gegenseitig unbeholfen über die Füße. Mann, ich brauche dringend Urlaub von dem Serien-Business, bevor ich auch noch bei „Mord mit Aussicht“ nach Hinweisen auf ein „Higher Being“ suche. ;-).
24. Juni 2010 um 00:08 Uhr
Hab grade bei Hitfix rückwirkend den Verriss von Feinberg gelesen. Ich meine da eine gewisse Antipathie gegenüber den Herrn Schaeffer herauslesen zu können… 😉
Ein wenig kann ich die Kritik schon nachvollziehen, von wegen unrealistische Charaktere und Dialoge, aber die Serie ist wahrlich ein „Grower“. Wenn man sich drauf einlässt, dann genießt man die ganzen makaberen Abstrusitäten (Vor allem der Plot um Jorge und seinen operierten Dödel… und natürlich auch der „Cop“ Miller, der pro Folge eine neue Macke hinzuzugewinnen scheint – NATÜRLICH ist das unrealistisch, na und?), und auch die Charaktere wachsen einem allmählich ans Herz.
In der Szene wo Lilly das Foto von Roberts toter Frau findet und ihr verspricht „I will take good care of him“, da musste isch schon ein kleines Tränchen verdrücken…
24. Juni 2010 um 10:01 Uhr
Feinberg hat in der Tat kaum ein gutes Haar an der Show gelassen. Ich denke auch, dass viele der negativen Reviews allein schon durch den Namen „Eric Schaeffer“ voreingenommen waren. Aber die ersten Episoden waren auch noch sehr schwer zu genießen, die Story um Lily und den irischen Kleingangster waren ein früher Tiefpunkt.
Der Plot um Jorge ist wirklich ein absolut bizarres und dennoch herrliches Schauspiel.
25. Juni 2010 um 10:11 Uhr
Ich bin auch froh, dass ich nach den ersten folgen drangeblieben bin. Ich konnte am Anfang gar nicht sagen warum mir die Serie gefallen hat. Es war einfach so.
Leider gibt es nur noch heute eine Folge. Du schriebst von 13 Episoden, leider gibt es nur 10 (ist bei Starz wohl häufiger so). Ebenso läuft heute ja auch das Season-Finale von Party Down. Ich fand die erste Staffel von Party Down ja schon sehr gut und habe mich deshalb sehr auf Staffel 2 gefreut. Aber in Season 2 hat der Serie nochmal was draufgelegt (obwohl ich anfangs Jane Lynch vermisst habe). Definitiv eines der Highlights des Jahres, absolut stark.
25. Juni 2010 um 11:45 Uhr
Ups, stimmt, es sind leider nur 10 Episoden. Hab’s korrigiert.
„Party Down“ hat mir dieses Jahr auch wieder sehr gut gefallen. Best show nobody’s watching. Bin mal gespannt, ob sie noch eine dritte Staffel bei den winzigen Quoten zustande bekommen, Adam Scott hat die Serie bereits für „Parks & Recreation“ verlassen. Lizzy Caplan war kurzzeitig auch für eine neue Serie im Gespräch, müsste jetzt aber doch wieder verfügbar sein. Immerhin: Jane Lynch soll im Seasonfinale noch mal zu sehen sein.
25. Juni 2010 um 19:53 Uhr
Da ist das Ding also. (Der Eintrag zu Gravity.)
Ich mag die Serie. Ursprünglich wegen Krysten Ritter ausprobiert und dann drangeblieben. Ich weiß allerdings immer noch nicht, was ich von Eric Schaeffers Charakter halten soll. Einmal ist er der störende Pickel auf der dunklen Fratze der Serie, dann sorgt er doch immer wieder für die ein oder andere äußerst interessante Szene.
Was Party Down angeht. Wenn die Quoten halbwegs passen wird das sicher fortgesetzt. Lowest of Budgets. Noch dazu scheint es sich ja als Sprungbrett anzubieten. Da nimmt man als ambitionierter Schauspieler den kleineren Gehaltsscheck sicher gern in Kauf. Und eine rotierende Cast passt irgendwie eh perfekt dazu. Im übrigen immer wieder lustig Fred „Kevin Arnold“ Savages Namen im Abspann zu lesen. Er lebt also noch und hat nen Job. Das ist schon ne Leistung für so nen Ex-Kinderstar. 😀
25. Juni 2010 um 20:07 Uhr
Seine Prostata-Untersuchung, die beinahe zu einem Fingerbruch beim Arzt führt, war auf jeden Fall eines meiner Highlights der Serie.
Es dauert nicht mehr lange und sein Director-Credit-Listing in der IMDb ist länger als seine Actor-Sektion.
Seine Serien-Freundin Danica McKellar hat aber auch eine ordentliche Post-Childstar-Karriere hingelegt. Doktor-Titel und mehrere Veröffentlichungen inklusive sexy Fotos in Männer-Magazinen und auch immer mal wieder kleinere TV-Rollen — Hut ab.
27. Juni 2010 um 13:36 Uhr
Weiß man schon, ob es eine 2. Staffel Gravity geben wird? Bei so nem kleinen Sender scheint das ja wohl eher möglich zu sein…
Das Ende der letzten Folge war ja ein fieser Cliffhanger. Obwohl die Entwicklung der Handlung auf mich dann doch reichlich künstlich erzwungen wirkte.
28. Juni 2010 um 09:46 Uhr
Soweit ich weiß, steht das Schicksal der Show noch nicht fest.
Das Finale hatte allerdings ein fürchterliches Skript, zuweilen nicht auszuhalten. Nicht nur das behämmerte „I Love You“-Debakel, sondern auch als Robert am Ende im Flur stehen bleibt und die anderen im Raum nicht sieht … ganz,ganz,ganz schwach. Das hat der eigentlich bis dato recht sympathischen Show einen heftigen Dämpfer verpasst.
28. Juni 2010 um 21:08 Uhr
Die finale Szene war fürchterlich konstruiert, aber das „I Love You“-Debakel fand ich großartig. Gut, Lilys Reaktion etwas arg übertrieben, aber Robert hab ich diesen geistigen Sekundenschlaf total abgekauft. 🙂
30. Juni 2010 um 22:54 Uhr
Starz setzt “Party Down” und “Gravity” ab…
Schade, am Ende waren die Quoten wirklich viel zu niedrig (knapp mikroskopisch kleine 70.000 für “Party Down” und 50.000 für “Gravity”) und der kleine Cable-Sender Starz hatte eigentlich keine andere Wahl: Es wird keine weiteren…