The West Wing
Ich bin endlich durch, man mag es kaum glauben. 15 Monate für die 155 Episoden der legendären NBC-Serie um die fiktive Präsidentschaft von Josiah Bartlet: Erneut hat sich gezeigt, dass solch ein „Serien-Marathon“ bei mir in epische Länge ausarten kann. Selbst mit „Buffy“ war ich seinerzeit schneller — und dabei hatte ich zu der Serie sogar auch noch jeweils kurze Zusammenfassungen geschrieben. Hätte ich zu einzelnen Episoden von „The West Wing“ auch noch etwas schreiben wollen, wäre ich in fünf Jahren wohl noch nicht fertig. Insbesondere in den ersten Staffeln ist jede Episode von „West Wing“ eine Art Mini-Spielfilm, zu dem man seitenweise Essays schreiben könnte. Das war vielleicht auch einer der Gründe, warum ich so lange brauchte: Zahlreiche Episoden habe ich mehrmals angeschaut — nicht nur wegen der DVD-Bonusmaterialien, sondern einfach nur, weil die erstklassige Qualität der Show ein mehrfaches Anschauen verdient. Im letzten Sommer brauchte ich dann auch erstmal eine mehrwöchige „West Wing“-Pause :).
Zu Teilen meines „Marathons“ hatte ich schon einiges geschrieben, daher nun noch ein paar abschließende Worte. Um die üblichen Kommentare zu dieser Show zu bestätigen: Ja, nach dem Abgang von Autor Sorkin und Regisseur Schlamme nach Season 4 ist die Show definitiv eine andere und auch eine schlechtere Serie. Aber schon vor dem Exit des Duos zeigte sich öfters, dass Sorkin mit der Show an seinem kreativen Limit angekommen war. Dennoch wäre eine Absetzung der Serie zu diesem Zeitpunkt noch zu früh gewesen. Es gab durchaus noch einige Geschichten rund um den politischen Alltag in Washington zu erzählen, wie der nachgerückte Showrunner John Wells („ER“) vor allem in Season 6 und 7 bewies.
Ich muss auch betonen, dass die Staffeln 5 und später bei weitem nicht so grausam sind, wie es die allgemeine Legende mittlerweile behauptet. Hätte „The West Wing“ erst mit Season 5 und mit Chefautor John Wells angefangen: Auch diese Serie hätte ich ohne Zweifel treu verfolgt. Zwar gab es während der Ära Wells eigentlich kaum noch Episoden, die ich mir mehrmals anschaute, aber gute Unterhaltung sind sie allemal.
Season 7 ist in meinen Augen eindeutig der Höhepunkt der Post-Sorkin-Ära, die Show findet den richtigen Punkt, um würdevoll zu enden — wenn sie auch nicht ohne ein paar Fehltritte auskommt (bspw. Tobys Abgang). Den Autoren waren schon längst gute neue Stories für den klassischen „West Wing“ ausgegangen, aber dafür inszenierten sie über eineinhalb Staffeln immerhin ein spannungsreiches Drama über die Wahl zu Bartlets Nachfolger. Ausnahmsweise durfte ich mich auch über mein mieses Gedächtnis freuen: Ich hatte tatsächlich inzwischen vergessen ob Santos oder Vinick die Präsidentschaft von Bartlet übernehmen würde — sehr hilfreich beim halbwegs spoilerfreien Genießen der finalen Episoden.
Spaß beim Zuschauen macht aber auch der exzellente erweiterte Cast: Unter anderem Alan Alda als moderater Republikaner, Jimmy Smits und Teri Polo als Ehepaar Santos, Janeane Garofalo („Larry Sanders Show“) und Patricia Richardson („Home Improvement“) als smarte Polit-Strateginnen, Kristin Chenoweth („Pushing Daisies“) als quirlige Pressechefin ergänzen die alteingesessenen Darsteller. Allerdings ist das umfangreiche Stühlerücken in Season 6 auch ein deutliches Zeichen dafür, wie wenig der „West Wing“ des John Wells noch mit dem Sorkinschen Ursprung zu tun hat.
Kurz: Ich bereue keineswegs die 15 Monate, die ich nun mit „The West Wing“ verbracht habe. Ich vermisse Donna und Josh schon jetzt ;-). Wie viele Serien hat auch diese Show gute und schlechte Phasen, aber insgesamt ist sie ein sehenswertes Denkmal anspruchsvoller TV-Unterhaltung und zumindest die „Sorkin-Jahre“ sollten auf jeden Fall zum Pflichtprogramm für TV-Cineasten gehören.
Und nun geht es auf die Suche nach der nächsten Langzeit-Marathon-Serie für die kommenden Jahre. „The Wire“ lockt schon seit Ewigkeiten, aber ich wollte eigentlich auch mal wieder „Babylon 5“ komplett sehen. Und in ein paar Tagen wird eine andere lang ersehnte DVD-Box im Briefkasten liegen…
17. August 2009 um 21:21 Uhr
Zufälle gibts – ich hab mich vor einigen Wochen nach langem Zögern und etlichen Empfehlungen mal an „The West Wing“ ran getraut. Bin jetzt irgendwo in Season 5, hab also noch ein Stück vor mir.
Bis jetzt sind die ersten beiden Seasons meine Favoriten, danach ging es gefühlt etwas bergab, aber ich finde es immer noch sehr sehenswert. Und wenn es in Season 6/7 nochmal richtig losgeht, dann hab ich ja noch was, auf das ich mich freuen kann.
Witziges Erlebnis am Rande: Gestern einen West-Wing-Tag gemacht, und dann später doch mal TV angeschaltet und in die Steinmeier-„Townhall“ reingezappt – Wunschtraum und Wirklichkeit 😉
17. August 2009 um 21:50 Uhr
Hehe, ich habe vor ein paar Tagen auch mal wieder darüber gegrübelt, warum bei einer deutschen Adaption von „The West Wing“ seinerzeit nicht mehr als das laue ZDF-Süppchen „Das Kanzleramt“ herausgekommen ist. Das Steinmeier-„Townhall“-Dingens zeigt wohl, dass man in Deutschland in der Realität und in der Fiktion beim Kopieren einfach ein paar Größenordnungen daneben liegt 😉
17. August 2009 um 22:13 Uhr
Ich kann mit allem nachdruck the wire empfehlen.eine sehr langsame, aber intensive form der spannung.spaetestens danach kann man das althergebrachte polizeigenre nicht mehr sehen, weil man immer vergleiche mit der tiefe der figuren und geschichten bei the wire ziehen wird.
18. August 2009 um 10:20 Uhr
Staffel 1&2 und in Teilen 3 & 4 sind auch bei mir schon mehrfach durch den DVD-Player gewandert. Zuletzt recht selektiv, mal die Folge, mal die. Die letzten Staffel 5-7 sind mir noch zu frisch im Gedächtnis, da warte ich noch ein paar Tage bis zum erneuten anschauen. Wobei mir vor allem einige Episoden aus der finalen Staffel immer noch als sehr gut in Erinnerung geblieben sind…
Mein persönliches Weihnachtsgeschenk 2008 an mich selbst war die große Babylon5 Serienbox mit allen Extrafilmen. Vor allem für die Staffeln 2-4 machen süchtig und führten bei mir zu einigen nicht so geplanten Nachtsessions… Von daher: Have Fun! Es lohnt sich.
18. August 2009 um 19:52 Uhr
Ich habe West Wing damals in wenigen Wochen durchgehauen, hat mich einige Nächte gekostet, allerdings lief zu dem Zeitpunkt noch Staffel 6 im US-TV. Staffel 6 & 7 sind, wenn man sie hintereinander Weg guckt schon ziemlich gut, vor allem wegen der realistischen Darstellung des Wahlkampfes. Wenn man jedoch gezwungen ist die Folgen über 6-7 Monate verteilt zu schauen, ist es z.T. etwas Quälend, weil es deutlich weniger West-Wing-Stories und viel Wahlkampf-am-Arsch-der-Welt-stories gibt.
Ich glaube ich hab die ersten vier Staffeln inzwischen 3-5 mal gesehen (ich gucke die Serie oft zum einschlafen, weil sie so Dialoglastig ist) und das letzte drittel der ersten Staffel bis Mitte der zweiten Staffel ist selbst nach den hohen WW-Masstäben grandios. Staffel 6 gefällt mir von allen am wenigsten, auch wenn es hier natürlich auch grandiose Episoden gibt, Leo fehlt halt doch irgendwie und es wird nie richtig erklärt warum CJ seine Nachfolgerin wird, bzw warum es Josh nicht wird.
Der Abgang von Rob Lowe zum Ende von Staffel 4 hat der Serie sicherlich geschadet und ich gebe recht wenn gesagt wird, daß die Serie ab Staffel 5 nachgelassen hat allerdings wird dieser Effekt natürlich dadurch verstärkt, das unser geliebtes Ensemble immer weiter auseinander driftet. Allerdings hat auch Staffel 5 einige hervorragende Folgen: „Han“, „Shutdown“, „Access“ und eine meiner persönlichen Lieblingsepisoden „The Surpremes“.
Erstaunlich an der 7. Staffel sind auch die Paralellen zu Obamas Wahlkampf, obwohl dieser erst danach stattfand, ich glaube Obamas Truppe hat sich die DVD genau angeschaut. Interessant auch zu Wissen das z.B die Figur Josh Lyman auf Obamas aktuellem Stabschef Rahm Emmanuel basiert (der wie Josh in Staffel 5 tatsächlich einem Politiker einen toten Fisch geschickt hat), dessen Bruder Ari Emmanuell ist übrigens das Vorbild für Ari Gold aus „Entourage, aber das ist ja nix neues für den Serienfan. Ich finds auf jedenfall spannend das The West Wing, das ja quasi die Clinton-Administration aufarbeitet, sich auch irgendwie in der aktuellen
Regierung wiederfindet.
Babylon 5 habe ich neulich auch mal wieder durchgeguckt (hatte Urlaub und war nur schlechtes Wetter) – lohnt sich.
18. August 2009 um 19:59 Uhr
P.S. Eine Verbesserung gabs aber ab Staffel 5, ich fand Bingo-Bob wesentlich cooler als Hoynes
18. August 2009 um 20:40 Uhr
Ja, das stimmt, in Season 6 und 7 tragen die DVDs einiges dazu bei, dass die Spannung besser gehalten wird, weil man nicht mehr mehrere Wochen auf die Rückkehr zu einem vorherigen Schauplatz warten muss. Besonders in den Folgen, in denen der Cast weit in verschiedene Handlungsstränge verteilt ist, wird das deutlich. Ich fand die Stand-Alone-Episoden des Wahlkampfs von Santos/Vinick so gut, dass ich immer ein wenig frustriert war, wenn es in der nächsten Folge dann wieder mal „nur“ um den West Wing ging.
Die Parallelen zu Obama sind in der Tat frappierend. Neulich habe ich auch wieder gelesen, dass ein junger Senator namens Barack Obama ursprünglich Pate stand für die Konzeption des ehrgeizigen und engagierten Charakter von Matt Santos. Die Ähnlichkeiten zwischen den beiden kommen also nicht von ungefähr. Und wenn ich schon beim Thema bin, es wurde zwar schon mal in einem älteren Beitrag verlinkt, aber hier ist noch mal der Trailer zu Season 8 von „The West Wing, Obama Edition“:
Sowie der unvermeidliche Fan-Trailer für eine fiktive achte Staffel:
19. August 2009 um 19:53 Uhr
Auch ich freue mich über diesen Eintrag. Zurzeit sehe ich „The West Wing“ zum ersten Mal und bin gerade am Ende der vierten Staffel angekommen. Bis jetzt herausragende Unterhaltung, die beinahe alles in den Schatten stellt, was ich im Serienbereich kenne – wenngleich sich Jed Bartlet natürlich nur schwer mit Buffy Summers vergleichen lässt… 😉
19. August 2009 um 23:36 Uhr
Von jetzt an gehts abwärts……ist aber nicht sooo schlimm, aber die ersten 4 Staffeln haben jeweils einen Emmy als beste Serie gewonnen, die danach nicht mehr. Übrigens, stellt es wirklich alles in den Schatten was es im Sereinbereich so gibt.
1. Dezember 2010 um 15:19 Uhr
[…] letzten Monate viel Zeit im Weißen Haus verbracht habe ein paar Gedanken zu einer Serie, zu der viele schon absolut zu Recht viel und vor allem Lobeshymnen geschrieben haben. The West Wing erzählt von […]