So ist es nun mal mit Leidenschaften: Sie lassen einen nie wirklich los. So geht es mir mit guten Serien und dem sablog. Viel Zeit habe ich nicht mehr fürs Schreiben im Blog, was ich auch immer wieder schmerzlich vermisse (und dabei feiert das Was-auch-immer-Ding hier nächstes Jahr schon den 15. Geburtstag!!1!).
Aber die Finger von „quality tv“ lassen? Nein, das wird nicht passieren trotz stressigem 100%-Job und zahllosen alternativen Freizeit-Möglichkeiten tief in den Schweizerischen Alpen.
Während ich mich still darüber amüsiere, wie manche SchweizerInnen das Wort „Serien“ aussprechen (mit einer bezaubernden Betonung auf dem „i“), verfalle ich auch weiterhin den Verlockungen der televisierten Erzählkunst. Sofern der anstehende Weltuntergang meine Pläne nicht torpediert, werde ich ein paar meiner Favoriten in den nächsten Wochen kurz vorstellen.
Lasst uns doch diesen kleinen virtuellen Rundgang in dieser Woche mit einer Serie beginnen, die zugebenermassen[1] in die Rubrik „Guilty Pleasure“ eingeordnet werden könnte. Die britisch-amerikanische Co-Produktion „Downton Abbey“ von ITV und PBS ist aber schon längst viel mehr als eine kleine Hausfrauen-Soap. Eine ganze Reihe von Kritiker-Auszeichnungen, Emmy-Nominierungen und nunmehr drei höchst erfolgreiche Staffeln (Nummer 4 ist bestellt) sind ein deutliches Zeichen dafür, dass die Serie um eine britische Adelsfamilie in den 1910er Jahren alles andere als ein kleines Historien-Nischendrama darstellt. Mit einer Million Pfund Produktionskosten pro Episode gehört Downton Abbey inzwischen zu den teuersten Drama-Produktionen in Grossbritannien. Dabei bietet die Serie dem Zuschauer natürlich in erster Line eine Möglichkeit zur „Flucht“ in eine einfachere, romantisch angehauchte Welt unserer Vorfahren, in der es klare Regeln gab, kein „Immer-Online“-Social-Media-Wahn, aber auch strenge Muster von sozialer Identität, in Tradition verwurzelte und verharrte Lebensphilosophien und zuweilen harsche Lebensbedingungen.
Wie es sich für eine herausragende Soap (und man möge diesen Begriff an dieser Stelle so positiv wie möglich interpretieren) gehört, hat die Show immens viel Drama, Intrigen, Kämpfe um Macht und Geld sowie die verkörperte Hoffnung auf die perfekte Liebe. Aber auch eine nette Portion Humor findet ihren Platz in der Serie, insbesondere repräsentiert durch Maggie Smith als spöttisch-sarkastische Dauernörglerin Tante Violet, deren Charakter schon längst mehr ist als der kleine „comic relief“ am Rande. Der Produktionswert der Serie ist enorm hoch, das äussert sich nur in den grossartigen Sets (gedreht wird unter anderem im Highclere Castle in Hampshire) und Kostümen, sondern auch in den sorgsam artikulierten Dialogen, die den besondern Klang des britischen Akzents noch mal ein wenig mehr hervorheben können.
Das Leben der Adelsfamilie Crawley und ihrer Diener dient dabei als Spiegel der britischen Gesellschaft in der Zeit vor und nach dem ersten Weltkrieg, vor der Gründung der irischen Republik und der Einführung des Frauenwahlrechts. Von einigen liebevoll-spöttisch in diesem Zusammenhang in Erinnerung an die alte BBC-Serie als „Downstairs, Upstairs“ bezeichnet kann die Serie durch ihren immens grossen Cast (man zählt gerne mal bis zu 19 Hauptdarsteller) dabei auch diese historischen Aspekte aus zwei sehr unterschiedlichen sozialen Perspektiven betrachten: Einerseits die aristokratische, wohlhabende Familie Crawley, die sich schon lange keine Sorgen mehr um Besitztümer machen musste und auf der anderen Seite die sprichwörtliche Unterschicht der Bediensteten, die dafür sorgen, dass die Crawleys in dem luxuriösen Anwesen Downton Abbey (fast) sorgenfrei leben können. Doch ebenso wird deutlich, dass gewisse Dinge und Ereignisse dazu neigen, keine Unterschiede hinsichtlich des sozialen Status zu machen und man manchmal näher zusammenrücken muss — sei es wegen der Spanischen Grippe, den dramatischen Verlusten an Leben und Menschlichkeit während des ersten Weltkriegs, aber auch den „ganz normalen“ Einschnitten im Leben verursacht durch Schmerz und Glück, Tod und Liebe.
So springt die Show hin und her zwischen sozialen Klassen-Drama, simpel zugespitzten Intrigen-Spannungen (oooh, sooo böse!;), ganz viel Herzschmerz und der gelegentlichen spitzen Bemerkung (meist) aus dem Munde von Tante Violet, all das unterlegt mit einer eingängigen Titel-Melodie. Was braucht man denn mehr für ein „Guilty Pleasure“-TV-Erlebnis?
Ich kann „Downton Abbey“ also nur bestens ans vom heimischen Kamin hoffentlich gut gewärmte Herz legen — für kuschelige Winterabende insbesondere zum „Gemeinsam TV-Schauen“ bestens geeignet. Vielleicht wird der ein oder andere angesichts der Aussprache und des historisch bedingten „Fachvokabulars“ zunächst etwas Probleme beim Verständnis haben, aber wer wie ich den britischen Akzent vergöttert, der sollte auf jeden Fall die Originalversion schauen. Die deutsche Synchro verliert leider immens viel Atmosphäre (und natürlich solch wunderbare Wörter wie uppity minx, delightful, ludicrous, county, bouillon spoon :)).
„Downton Abbey“ ist das beste Beispiel: Leidenschaften kommen nun mal in vielen verschiedenen Formen. 😉
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[1] Man möge entschuldigen, dass ich kein „scharfes Ess“ mehr verwende. Aber ich habe eine Schweizerische Tastatur und da hat es solche typografische Extravaganzen nicht (ohne grösseren Aufwand). Ausserdem ist das Ausrufezeichen nicht über der „1“. Womit der ganze „Me too!!!1!!elf!!“-Gag dramatisch an Wirkung verliert. Stattdessen darf ich hier „go poschde“ gehen anstatt langweiligem „Einkaufen“. Soviel zum Thema „kulturelle Unterschiede zwischen D und CH“. Julia von 49suns führt eine interessante „Leben im UK als Deutscher (Liukad)“-Reihe, vielleicht sollte ich auch eine „Leben in der Schweiz als Dütscher (LiSaD)“-Kategorie starten 😉