Ijon Tichy: Raumpilot
Montag, 26. März, 2007Immer mal wieder versucht das ZDF, sein Image als Sender der Generation 60+ herunterzuspielen und das Programm auch für jüngere Zuschauer interessant zu machen. Dazu gehören neben (gescheiterten) US-Serieneinkäufen wie „The Sopranos“ und „Veronica Mars“ sowie vermeintlich hippen Gameshow-Formaten auch die Förderung von eher experimentellen Eigenproduktionen unter anderem in der Reihe des „Kleinen Fernsehspiels„. Insbesondere in letzterem Format bot sich in mehr als 40 Jahren vielen jungen Filmemachern eine Plattform für innovative, unkonventionelle und off-beat-Produktionen jenseits des TV-Mainstreams. Nicht immer ist das für den Zuschauer so amüsant und leicht verdaubar wie beispielsweise die „Blind Date“-Reihe mit Olli Dittrich.
Als „kurzweiligste deutsche Science-Fiction-Serie seit ‚Raumpatrouille Orion‘“ kündigt der Mainzer Sender nun die neueste Kurzfilmreihe unter dem Schirm des „Kleinen Fernsehspiels“ für das Nachtprogramm an. Mit dem Titel „Ijon Tichy: Raumpilot“ haben eine Gruppe von Absolventen und Studenten der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin die legendären Sternetagebücher von Stanislav Lem in sechs bizarre, aber höchst unterhaltsame Kurzfilme umgesetzt. Ijon Tichy ist ein einsamer Sternenreisender, der von seinen vermeintlichen Abenteuern erzählt und sie im besten „Baron Münchhausen“-Stil üppig ausstaffiert. Schon die Literaturvorlage nimmt sich nicht ganz so ernst und die Produktion der jungen Filmemacher treibt dies noch ein paar Kerben weiter. Ich weiss noch, als ich vor einiger Zeit die Pressemeldungen von der Präsentation bei der letztjährigen Cologne Conference gelesen hatte und eigentlich nur eines dachte: „Oh mein Gott, was für ’ne beknackte Idee“. Naja, wer will’s mir verdenken. Umso größer war die Überraschung bei der ersten Sichtung der (Raum-)Pilot-Episode.
In genau richtig dosierten 15 Minuten erwartet den Zuschauer ein skurriles Comedy-Experiment. Wenn dieses Format überhaupt in eine Schublade passt, dann vielleicht in die „trashy, but in a good way“-Kategorie. Fast schon zu britisch, um deutsch zu sein. Es hat den sympathischen Charme einer sorgfältig und mit unglaublich viel Kreativität gestalteten Welt, in der die begrenzten Ressourcen für solch ein kleines Kurzfilm-Format in höchst effizienter Weise ausgenutzt werden. Man sieht die Liebe zum Detail, den die Macher trotz aller Skurrilität beibehielten. Nicht zuletzt auch dank der exzellenten Vorlage von Stanislav Lem, einem der größten SciFi-Autoren aller Zeiten, begeistern die kurzen Episoden schließlich auch beim Storytelling. Freunde der gepflegten Absurdität im Stile eines Douglas Adams, Terry Pratchett oder der „Red Dwarf“-Absonderlichkeiten dürften sich auch von Raumpilot Ijon Tichy gut unterhalten fühlen. „In wohldosierter Form“ mag man an dieser Stelle noch ergänzen, denn der eigenwillige Akzent des Protagonisten sorgt zwar für so manches Comedy-Gold („Frechigkeit“), könnte bei übermäßigen Konsum aber auch zu Übersättigungs- und Gegenreaktionen führen.
Und wen all diese wohlformulierten Beschreibungen immer noch nicht zum Einschalten oder ‚Runterladen motivieren mögen, dem seien diese beiden güldenen Worte entgegengebracht: Nora Tschirner. Für solch eine kleine Produktion von Studenten einer Filmhochschule sicherlich der eigentliche Zuschauermagnet (und umso gelungenerer Casting-Stunt). Sie spielt in gewohnt lasziv-arrogant-ignoranter Art als „Analoge Halluzinelle“ (wie klasse ist das denn?) einen virtuellen Sidekick.
Fazit: Unbedingt mal reinschauen. Man sollte aber schon ein paar Clowns gefrühstückt haben.
Eine offizielle Website samt Forum gibt’s übrigens auch. Die zwei originalen Kurzfilme, die als Vorlage für die ZDF-Produktion dienten, sind hier abrufbar.
„Ijon Tichy: Raumpilot“ startet heute (26. März) um 23:55 Uhr im ZDF. Und in einem unerwarteten Zug von Innovationsfreude und Zuschauerservice stehen die ersten beiden Episoden tatsächlich schon jetzt zum kostenlosen Download in der ZDF Mediathek zur Verfügung (neue Episoden kommen immer eine Woche vor der Ausstrahlung). Wow. Ist das wirklich noch das gute, alte ZDF? Nur eines üben wir noch: Und zwar die Sache mit dem Sendeplatz.
Wie auch immer: Wollen mehr von galaktisch Abenteuer!