Saving Grace
Samstag, 28. Juli, 2007Der Sommer ist eindeutig das Eldorado für die kleinen Cable-Networks. In diesen Monaten, in denen die großen Broadcast-Networks ihre Kräfte sammeln und mit Reality-Ware aus der Konserve die Zeit totschlagen, wuseln die kleinen Networks heran und versuchen mit erstklassiger Ware der vermeintlich übermächtigen Konkurrenz ein paar Marktanteile abzuknabbern. Und verstärkt tun sich dabei auch nicht nur die PayTV-Stationen, sondern auch bisher eher unbekannte Networks mit größeren Eigenproduktionen hervor, zuletzt beispielsweise AMC mit „Mad Men“.
Auch TNT mischt da mit. Das kleine Network, das ebenfalls eigentlich mal ein Spielfilm-Sender gewesen war, der aber allmählich sein Spektrum um Sportsendungen und Drama-Serien erweiterte, hat neben vielen Wiederholungen von Serien der „großen“ Networks in der letzten Dekade auch immer mal wieder Serien aus dem eigenen Haus auf Sendung gebracht, unter anderem „Witchblade“. Die bekannteste eigenproduzierte Serie auf TNT ist derzeit wohl das Krimi-Drama „The Closer“, das seit drei Jahren ein Markenzeichen des Network ist.
Auch das neue Drama „Saving Grace“, das diese Woche startete, kann man in diese Krimi-/Prozedural-Schublade einsortieren, aber mit einem etwas ausgefallenen Touch. Es ist eine Art nicht-jugendfreie Variante von „Ein Engel auf Erden“ oder „Touched by an Angel“ — mit viel Sex, Drogen, Gewalt … und Holly Hunter. Sie spielt die Polizeibeamtin „Grace“, die man wohl bestenfalls als „abgewrackt“ bezeichnen könnte: Sie säuft sich durch’s Leben, hat zahlreiche Affären und ist auch ansonsten alles andere als zart besaitet. Sie nimmt nicht sonderlich viel Rücksicht auf andere oder sich selbst — im Prinzip das klassische „Cop ist an seinem Job zerbrochen“-Stereotyp. Naja, bis zu dem Moment, als sie besoffen einen Menschen überfährt und — jetzt schert die Serie plötzlich aus dem vermeintlich klar definierten Cop-Genre aus — ein Engel namens Earl ihr eine letzte Chance anbietet, der Hölle zu entgehen.
Jupp, ein Engel namens Earl. So richtig mit Flügeln und magischen Kräften, aber dennoch auf den ersten Blick nicht unbedingt ein Exemplar des familienfreundlichen Klischees eines sauberen, Frieden stiftenden Heilbringers à la Clarence, der den guten George Bailey vom Selbstmord abhält.
Jedenfalls gibt er der perplexen Grace eben diese letzte Chance, sie soll ihr Leben in den Griff kriegen … oder… it’s hell time. Wie genau er ihr dabei unter die Arme greifen will, bleibt zunächst unklar. Er lässt zumindest mal keinen Zweifel daran aufkommen, dass er ihr keine Hilfe bei der Lösung ihrer Kriminalfälle geben wird, Grace muss ihren Krempel schon gefälligst alleine auf die Reihe kriegen. Aber natürlich dürfen ein paar mysteriöse Andeutungen nicht fehlen. Und dann wäre da noch die „Holy Cow“…
Ähnlich wie Kyra Sedgwick für „The Closer“ ist Holly Hunter für „Saving Grace“ der zentrale Dreh- und Angelpunkt, von dem ein Großteil der Wirkung der Serie abhängt. Und ähnlich wie Sedgwick ist Oscar-Gewinnerin Hunter alles andere als ein Drama-Newcomer, sie hat unter anderem in „thirteen“ bereits bewiesen, wie hervorragend sie kaputte Charaktere spielen kann, die sich kurz vor der Selbstzerstörung befinden. Und das zeigt sie auch in „Saving Grace“. Auch wenn die Prämisse vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig ist, so setzt sie mit ihrem Charakter doch einen netten neuen Akzent für das abgenutzte „Engel kommt auf die Erde“-Konzept. Natürlich schwebt auch hier über allem der große moralische Zeigefinger im Stil von „Tue Gutes im Leben“, aber zumindest ist die Show bei weitem nicht so seicht und besserwisserisch umgesetzt wie beispielsweise das eingangs erwähnte „Touched by an Angel“. Auch mit einem Vergleich à la „Joan of Arcadia für Erwachsene“ tue ich mich noch etwas schwer, aber „Medium“ ist in Sichtweite.
TNT hat sich auch nicht lumpen lassen, was die Besetzung dieses Dramas anbetrifft. Neben der exzellenten Holly Hunter sind zumindest in der Pilot-Episode auch noch Leon Rippy („Deadwood“), Laura San Giacomo („Just Shoot Me“) und Tom Irwin („My So-Called Life“) zu sehen. Und der Rammstein-Song „Mein Herz brennt“ ist zentraler Teil der Hintergrund-Musik dieser Episode, was nochmals unterstreicht, dass das keine „Friede, Freude, Eierkuchen“-Produktion ist.
Fazit: Durchaus sehenswert, vor allem wegen Holly Hunter, aber es bleibt abzuwarten, wie die Show in den nächsten Episoden das Gleichgewicht zwischen Krimi-Prozedural und „Do You Believe In God?“-Selbstfindung halten wird. Gerade letzteres kann schnell nach hinten losgehen und lächerlich, predigend oder seicht wirken — die TV-Vergangenheit hält da einige Beispiele parat…