Dead Set
Sonntag, 9. November, 2008Vor einigen Wochen hatte ich schon mal etwas zu dem ungewöhlichen Crossover des britischen Senders E4 zwischen dem „Big Brother“-Franchise und dem Zombie-Genre geschrieben. Ende Oktober, passend zu Halloween, liefen nun die sechs Teile der Miniserie „Dead Set“ im TV (und ist auch schon komplett auf DVD erhältlich).
Das Konzept der Miniserie dürfte wohl bereits aus der Prämisse „Big Brother meets Zombies“ auf der Hand liegen: Eine Zombie-Epidemie auf der Insel macht auch vor den Toren der Produktionsfirma von „Big Brother“ nicht halt. Just als ein Teilnehmer in der üblichen wöchentlichen Liveübertragung aus dem Haus gewählt wird, bricht das Chaos über den Ort herein, ohne dass die von der Aussenwelt abgeschotteten Bewohner etwas davon mitbekommen. Auch Kelly, eine Assistentin in der „Big Brother“-Produktionsfirma, wird von den brutalen Ereignissen überrascht und muss um ihr Leben kämpfen.
Ich hatte ehrlich gesagt eine billige und „entschärfte“ TV-taugliche 08/15-Produktion erwartet, aber „Dead Set“ ist ein höchst unterhaltsamer und durchaus smarter und spannender Vertreter des Zombie-Genres. Das „Big Brother“-Set dient dabei allerdings hauptsächlich als eine extravagante Location für diesen Horror-Film. Eventuelle medienkritische Anspielungen spielen eher eine untergeordnete Rolle. Aber das macht die Produktion nicht minder sehenswert.
Die Miniserie weicht des öfteren von dem üblichen „Menschen vs. Zombies“-Schema ab und baut einige zutiefst verstörende und dennoch in ihrer Bizarrheit komische Szenen ein, die den Zuschauer munter zwischen Ekel und Schenkelklopfer wechseln lässt. Da metzeln beispielsweise eine Horde Zombies blutspritzend und Gedärme-zerreißend durch eine hilflose Menschenmenge, unterlegt jedoch mit dem poppig-flockigen „Grace Kelly“ von MIKA in Surround-Sound. In einer anderen Szene greifen die Überlebenden zu einem ungemein unappetitlichen Manöver, um die Zombies von ihrem Plan abzulenken. Horror, Gore, Panik und bizarr-ekelhafte Situationen: Was mehr kann man von einem Zombie-Film erwarten? 😉
Auch wenn „Dead Set“ ein paar große Portionen aus dem schier unerschöpflichen Topf des typisch britischen schwarzen Humors nimmt, so ist er dennoch bei weitem nicht so locker-flockig wie beispielsweise „Shaun of the Dead“ und geht auch ’ne Ecke brutaler und blutiger zur Sache. Wer also schon beim Gedanken an das wiederholte Zerschmettern eines Zombie-Schädels mit einem Feuerlöscher Magenprobleme bekommt, sollte um „Dead Set“ einen Bogen machen. Jugendfrei ist diese Miniserie ganz sicher nicht. Die Zombies ähneln zudem eher den agilen und schnellen Untoten aus neueren Produktionen wie „28 Days/Weeks Later“, was sie aber in meinen Augen deutlich bedrohlicher erscheinen lässt.
Auch ansonsten bricht „Dead Set“ nicht unbedingt mit den Konventionen des Genres: Obwohl die Protagonisten eindeutig in unserer wohlvertrauten Medienwelt leben und neben dem offensichtlichen „Big Brother“-Franchise auch unter anderem Facebook, Youtube, The Sopranos, Lost und Doctor Who beim Namen genannt werden, scheint doch noch niemand aus dieser Popkultur-Generation jemals einen Zombie-Film gesehen haben. So fällt der Begriff „Zombie“ während den knapp 140 Minuten Nettolaufzeit kein einziges Mal, selbst „Undead“ wird vermieden und die Charaktere machen all die typischen (und dummen) Fehler, die Protagonisten in Horrorfilmen nun mal so machen. Dennoch ist der Höhepunkt des Mehrteilers dann doch ein geschicktes Psycho-Drama mit „Big Brother“-kritischen Untertönen und kumuliert in einem spektakulären Finish (und einer netten Schlussszene).
Kurz: Ein solides Stückchen Unterhaltung für Zombie-Fans und Freunde eines gepflegten bitterschwarzen und politisch unkorrekten Humors, garniert mit einer kleinen Prise Kritik am voyeuristischen und mediengeilen „Big Brother“-Verdummungs-Hype. Sowas bringen wohl wirklich nur die Briten fertig. Hier gibt’s einen Trailer.