Jugendschutz vs. EU Harmonisierung

Vor mehr als zwei Jahren erwähnte ich ja schon mal hier im Blog, dass sich die AVIDES Media AG eine einstweilige Verfügung durch einen Mitbewerber eingefangen hatte, weil AVIDES britische DVDs in Deutschland verkaufte — diese ausländischen DVDs aber keine FSK-Freigabe hatten. In Grossbritannien werden DVDs in der Regel durch das British Board of Film Classification, bbfc für bestimmte Altersgruppen freigegeben. Andere EU-Staaten haben vergleichbare Institutionen. Das deutsche Jugendschutzrecht kennt und akzeptiert aber nur Beurteilungen der „obersten Landesbehörde oder einer Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle“ [1] der Bundesrepublik Deutschland (bspw. die FSK — Freiwillige Kontrolle der Filmwirtschaft). Somit dürfen britische Import-DVDs selbst mit vorhandener bbfc-Einstufung in Deutschland nicht frei vertrieben werden — soviel zum Thema EU Harmonisierung.

Und auch zwei Jahre später gibt es immer noch keine endgültige Entscheidung in dieser Angelegenheit, die ja durchaus den Charakter einer Grundsatzentscheidung haben dürfte. Torsten Kracke (Serienfans vermutlich u.a. bekannt durch seine legendäre Episodenguidesammlung) von AVIDES hat im Cinefacts-Forum letzte Woche ein kleines Update gepostet. Demnach steht die juristische Auseinandersetzung jetzt immerhin mal beim Europäischen Gerichtshof auf der Tagesordnung. Bis zu einer Klärung kann es aber noch Jahre dauern. Bin trotzdem mal gespannt, wie der EuGH entscheidet.

Das „Problem“ dürfte unter anderem sein, dass die EU im Jugendschutzbereich bisher die Bedeutung einzelstaatlicher Regelungen akzeptiert (Empfehlung 98/560/EG). Auch das Koblenzer OLG beruft sich in seiner Urteilsbegründung in dem Verfahren zur einstweiligen Verfügung indirekt darauf und sieht in diesem Punkt auch die Unterschiede zu den DocMorris-Urteilen. Man stelle sich mal vor, welche kulturellen Differenzen im Jugendschutzverständnis zwischen beispielsweise Deutschland und dem EU-Aufnahmekandidat Türkei bestehen.

Aber derzeit wird im Europäischen Parlament an einer Ergänzung/Überarbeitung der 1998er Empfehlung gefeilt, in der nun auch vorsichtig eine gewünschte EU-weite Harmonisierung angedeutet wird: „Provisions, which could include a harmonisation through co-operation between regulatory, self-regulator and co-regulatory bodies of the Member States and through the exchange of best practice.“ [2]. Allerdings bezieht sich das im gegenwärtigen Kontext vor allem auf Online-Medien.

P.S.: Irgendwie ist mir bis jetzt noch nie aufgefallen, wie seltsam der in diesem Kontext verwendete (und vermutlich juristisch korrekte) Begriff „Jugendfreiheit“ klingt…

P.P.S.: „Video’s„. Autsch.

4 Antworten

  1. 1
    Torsten Kracke schrieb:

    Bei DocMorris wurde das Problem der unterschiedlichen Prüfkriterien für Medikamente und Apotheken ganz elegant über eine „Länderliste“ gelöst. Das Gericht bzw. eine Kommission hat festgestellt, welche Mitgliedsstaaten der EU ein dem deutschen System vergleichbaren Standard bieten. So eine Liste müßte es dann für die Filmkontrollstellen der einzelnen Länder auch geben und wenn da England nicht dabei ist freß ich einen Besen – deren System ist nämlich wohl das beste in Europa und damit mindestens so gut wie das deutsche.

  2. 2
    sab schrieb:

    Interessant, ich wusste nicht, dass es dieses Konzept der „Länderliste“ gibt. Das wäre natürlich auch für diesen Anwendungsfall ein eleganter Ausweg.

  3. 3
    Tom schrieb:

    PPPS: „EU Harmonisierung“. Autsch.
    > http://de.wikipedia.org/wiki/Deppenleerzeichen
    > http://www.deppenleerzeichen.de

    Sorry, aber das wollte ich schon lange ‚mal loswerden. Es gibt zwar hier im Sablog viele richtig geschriebene Komposita („Jura-Serien-Fans“), aber auch eine große Anzahl fehlender Kopplungen („Highschol-Football Team“ oder „Post-Superbowl Episode“), die mich manchmal beim Lesen „stolpern“ lassen.

    Und nachdem sich der „Deppenleerstrich“ jetzt schon in Überschriften ausbreitetet („’Kuttner’ Show“) und nicht nur im Text, kann ich mich nicht länger zurückhalten (aktuell z.B. „Late Night Alternative“ oder „Kevin Smith Bonus“ und ganz schlimm alternativ dann auch noch „Kevin Smith-Bonus“).
    Trotzdem, der Weblog-Inhalt ist wichtiger als es die Form oder die letzten Details der Rechtschreibregeln sind, aber nach deinem (völlig richtigen!) Hinweis auf das Deppenapostroph musste das jetzt sein.

  4. 4
    sab schrieb:

    Danke für den Hinweis. Ich muss zugeben, dass ich bei Komposita in letzter Zeit öfters unsicher bin — wohl weil man es an den verschiedensten Orten falsch sieht und das weitesgehend hinnimmt. Es gibt ja gerade dieses schöne Beispiel der „Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover“. Irgendwann schreibt man’s dann selbst falsch und merkt’s nicht mehr — vor allem hier im Blog, wo ich die Beiträge zwar korrekturlese, aber dann doch meist flüchtig und unter Zeitdruck. Naja, ich hämmere es mir hiermit aber noch mal intensiv ein und hoffe, dass es irgendwo hängen bleibt 🙂

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