October Road

Was für eine Baustelle. Für die „October Road“ wäre eigentlich eine Vollsperrung samt neuer Fahrbahndecke dringend nötig — dabei wurde die Strecke erst für den Verkehr … nah, ich lass‘ das jetzt lieber mit den Analogien.

Aber es kommt ja wirklich selten vor, dass eine Pilot-Episode derart übel ist, dass sie von der zweiten Folge schon locker übertrumpft wird. Folge eins von „October Road“ ist ein unfertiges Melange von melodramatischen Selbstfindungs-Szenen, einem um mehre Größenordnungen überdimensionierten Soundtrack, katastrophal gezeichneten Charakteren, blassen Darstellern, ausgelutschten Story-Konzepten … und einigen wenigen guten Ideen. Hat sich das denn niemand der Powers That Be mal vor der Ausstrahlung angesehen?

october roadDer verlorene Sohn Nick Garrett (Bryan Greenberg, könnte dem Gehabe nach fast der Bruder von Milo Ventimiglia sein) kommt also nach zehn Jahren zurück in sein Heimatdorf. Und natürlich steckt er in einer Sinnkrise, hat all seine Freunde vor drei Jahren zudem durch eine biographisch angehauchte Buchveröffentlichung vergrault. Die sind nun entweder stinksauer oder derart überzeichnete Charaktere, dass sie eh keine rational fundierte Entscheidung treffen dürfen, damit die Story wenigstens den Hauch einer Existenzberechtigung hat. Und pünktlich zum zweiten Act-Break (taraa!) wird uns dann auch der eigentliche Höhepunkt präsentiert: Der zehnjährige Sohn von Nicks Ex. Während der Werbepause darf dann gerechnet werden.

Viele Momente laden schon beinahe zu unfreiwilliger Komik ein, seien es die stümperhaften Opening Credits (Nicks Auto schliddert in eine vom CGI-Praktikanten mit Paintshop gemalte Ortseinfahrt). Oder wenn die absolut nüchteren twentysomething-Protagonisten nicht nur zur Luftgitarre greifen, sondern gleich mehrminütige Luft-Band-Nummern daraus bauen, die an Lächerlichkeit kaum zu übertreffen sind. Man greift sich auch schon mal an den Kopf, wenn irgendwelche dürftigen und absurden Lebensphilosophien von Vorfahren als wesentliche Plot-Begründungen dem Zuschauer gleich mehrmals vor die Füße geworfen werden. Oder der Hauptcharakter Nick seine Sinnkrise nur zehn Minuten nach einem (vorhersehbaren) Beinahe-Nervenzusammenbruch wunderbar eloquent einer wildfremden Studentin als perfekte Selbst-Diagnose offenbart. Nur um ganz sicher zu gehen, dass der Zuschauer auch wirklich nachvollziehen kann, was in Nick vorgeht, falls er die vorangegangenen Zaunpfähle übersehen haben sollte. Selbst „Dawson’s Creek“ war da subtiler. Oder jemand sein größtes Sexgeheimnis ausgerechnet dem Freund anvertraut, der vor einigen Jahren den Unmut eines ganzen Dorfviertels auf sich zog, weil er ein Buch über sie veröffentlichte

Aber die Show hat durchaus auch ein paar gute Aspekte. Man kann erkennen, dass die Serie aufbauend auf einige zentrale emotionale Schlüsselszenen konstruiert wurde, die prinzipiell vielleicht sogar die Grundlage für eine interessante Show bilden könnten. Dazu zählen beispielsweise viele der „First Contact“-Momente zwischen Nick und seiner alten Heimat. Auch die Grund-Idee mit Nicks möglichen Kind ist gar nicht so verkehrt. So war das Leuchten in den Augen (und die nachfolgenden Aktionen) des vermeintlichen Großvaters einfach nur bezaubernd ausgedacht und umgesetzt. Doch das schon nach nur 80 Minuten schier endlos erscheinende Hin-und-Her von Anspielungen hinsichtlich der wahren Abstammung des Kindes wirkt einfach nur noch affig.

Der Soundtrack wiederum wäre wirklich exzellent (lauter gute Songs), wäre er nicht so aufdringlich und teilweise gnadenlos antiklimaktisch und orthogonal zum Geschehen auf dem Bildschirm eingebunden. Auch das Casting von Laura Prepon („That 70s Show“) war eine durchaus gut gewählte Entscheidung, endlich kann sie auch mal zeigen, ob sie jenseits der eher simpel gestrickten Comedy auch mehr ernstere (und ältere) Charaktere geben kann. Und prompt ist sie auch neben Tom Berenger (als Großvater in spe) eine der wenigen schauspielerischen Highlights der insgesamt doch eher lauen Serie.

Die zweite Episode geht die Sache etwas langsamer an und muss auch nicht mehr soviel Exposition bewältigen, so dass die Charaktere größere Gelegenheiten zum Entfalten haben. Aber auch hier sind zahlreiche Dialoge eingestreut, die im Kopf der Autoren wohl ganz großes emotionales Kino repräsentierten, aber auf dem Bildschirm einfach nur blass und überdimensioniert für diese einfachen Charaktere wirken.

Naha, wer sich eine Home-Coming-Story anschauen will sollte doch zu einer guten, alten DVD greifen und sich „Garden State“, „Winter Passing“ oder zur Not auch „Elizabethtown“ zu Gemüte führen. Einzig Fans der bezaubernden Laura Prepon müssen wohl auch weiterhin einen Parkplatz in der October Road suchen. Pünktlich zu den Upfronts könnte das aber in einer Sackgasse enden. (Okay, das bot sich jetzt einfach zu offensichtlich an 😉 Die Quoten sind recht gut, allerdings nur ca 50-60% Retention von Grey’s Anatomy. Und es kommen ja nur noch zwei Episoden).

8 Antworten

  1. 1
    jessi schrieb:

    Den von ihm dargestellten Charakter in One Tree Hill (Guilty Pleasure/es-ist-nix-mehr-zu-gucken-da-show) fand ich ja schon unerträglich, obwohl ich mich ja jetzt frage, ob es vielleicht eher mit dem Schauspieler zusammenhängt.
    Hab Octoberroads nach 2min ausgeschaltet, weil ich ihn mir in seiner Über-Melancholie nicht antun konnte.
    Gut zu wissen, dass ich nichts verpasst habe; noch besser, dass das Blog (der Blog?) wieder da ist! 🙂 Danke Sab!

  2. 2
    Dr, Mulholland schrieb:

    Also erstmal: schön, dass du wieder da bist!

    Und schon werd ich komplett off-topic, sorry:
    Gibts eine Möglichkeit, die mittlerweile umfangreichen Streamingangebote von US-Networks zu sehen? Normale Proxies reichen dafür ja nicht aus…

    Und kommt mir nicht mit Copyright, diese Aktionen sind doch völlig arbiträr. Falls es sich hier, wie die Networks beim Disput letztes Jahr behaupteten, um Promos handelt, gibts auch keinen Grund, die Ausstrahlung zu limitieren.

    ich finde, außer der Inconvenience, ist das eine gefährliche Entwicklung, die auch in anderen Ecken im Netz Schule machen könnte. Da muss man doch gegenhalten?

  3. 3
    mak schrieb:

    Das du dir da überhaupt die zweite Episode angetan hast…
    Eine Serie über einen brillanten Autor sollte nicht so lausig geschrieben sein.
    Und Laura Prepon ist gutes Casting? Nicht wirklich…
    Da schaue ich lieber „Raines“ mit JG-Snark. Da war die zweite Episode IMO besser als der Pilot. 😉

  4. 4
    Manuel schrieb:

    @Dr. Mulholland. Sehe nicht unbedingt, warum das so eine „gefährliche“ Entwicklung sein sollte. Es sind nun einmal proprietäre Inhalte, ob dir das gefällt oder nicht. und ich kann mir nicht vorstellen, daß sich uneingeschränkte Verfügbarkeit allzu positiv aufs Lizenzgeschäft auswirkt.

  5. 5
    sab schrieb:

    @Dr. Mulholland: Da stimme ich Manuel zu, ich sehe die Entwicklung sogar ein wenig positiv. Denn immerhin fangen die Studios/Networks nun mal an, ihre Inhalte ins Internet zu stellen und tasten mögliche Verwertungsmöglichkeiten ab. Das ist momentan mehr „Experimentieren am lebenden Objekt“ als konkrete langfristige Strategie. Da erscheint es logisch, dass die ihren Lizenznehmern in Übersee dennoch erstmal keine Argumente für niedrigere Preise geben wollen (à la „ist ja keine Exklusivlizenz mehr“). Und NBC kehrt es (beim derzeitigen Vermarktungsmodell) einen Dreck, ob sich ein deutscher Zuschauer für „Heroes“ interessiert, warum sollen sie also für ihn die Bandbreite zahlen? Noch schauen die Networks ausschließlich auf den amerikanischen (Werbe-)Markt, lediglich die Produktionsstudios riechen den fetten Braten und orientieren sich allmählich neu.

    Aber das ist alles noch eine sehr junge Industrie und da wird sich in den kommenden Jahren sicherlich noch vieles tun. Im ganzen Multimedia-Sektor ist derzeit unglaublich viel im Umbruch. Für die Filmindustrie ist beispielsweise die Erstverwertung im Kino ein immer kleinerer Anteil an den Profiten — Einkünfte aus Merchandise und DVD/TV-Rechten wachsen stetig. So könnte in naher Zukunft auch mal die zeitversetzte Kino/DVD-Vermarktung und im Endeffekt die Regional Codes fallen. Im (amerikanischen) TV-Sektor findet dank der TVonDVD- und TVoverIP-„Revolution“ ebenfalls ein breites Umdenken statt. Und mit der zunehmenden Verschmelzung von Internet und TV sowie zunehmenden internationalen Verflechtungen großer Medienkonzerne dürften früher oder später auch multinationale TV-Distributionskanäle jenseits der üblichen NewsChannels rentabel werden. Vielleicht nicht in den nächsten zwei Jahren, aber so um 2012 wird unser Medienkonsum sicherlich komplett anders aussehen.

    Allerdings dürfte auch klar sein, dass es die Inhalte auch dann nicht für „lau“ geben wird. Appetizer (Pilotepisoden) werden verschenkt, das HD-Serien-Abo plus Bonus-Material kostet dann. Dafür wird dann die Anschaffung der DVD-Box hinfällig. Das wäre aber ein Konzept, mit dem ich sehr gut leben könnte.

    Was die ursprüngliche Frage angeht: Es könnte prinzipiell möglich sein, auf die Angebote indirekt von Europa aus zuzugreifen. Dazu müsste man sich mal einen (Root-)Server in den USA anmieten und mit ein paar Tunneln/VNCs/VPNs experimentieren… Aber solche detaillierte technischen Diskussionen möchte ich hier im Blog nicht weiter fördern, es laufen zuviele arbeitslose Anwälte da draußen ‚rum.

  6. 6
    mak schrieb:

    @sab
    Warum so umständlich? Mit einem guten Proxy geht das oft auch. Hab ich z.B. beim ABC Streaming Service erfolgreich getestet…

  7. 7
    Johann schrieb:

    Ah, endlich bist du wieder aus deinem Winterschlaf zurückgekehrt… Ich werde mir October Road mal noch weiter anschauen, habe bisher nur den Piloten gesehen und bin einfach mal gespannt, ob aus diesem ganzen Wirrwarr noch etwas Vernünftiges gestrickt wird – ansonsten bin ich auch ganz schnell weg.

    ABC dürfte ja zufrieden sein mit den Quoten, October Road holt ja so ungefähr das Doppelte von dem, was Men In Trees in dem Timeslot holt – ich weiß allerdings nicht, ob es so klug ist, October Road nach vier Folgen schon wieder in die Pause zu schicken. Nächsten September ist die Serie vielleicht schon wieder vergessen und startet an einem ungünstigen Platz.

  8. 8
    xDest schrieb:

    October Road…

    Die Kritiken zur Ausstrahlung des „October Road“ Pilotfilms waren nicht gerade die Besten, eher vernichtend. Rückblickend denke ich zwar auch, dass die Serie am Anfang etwas unfertig gewesen ist, aber spätestens mit der letzten Folge der zweiten …

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