Serienlexika
Neulich zeigte jemand auf zwei Schwergewichter auf meinem Schreibtisch und wunderte sich wieso ich als „Internet-Spezi“ (nicht meine Worte ;-)) doch tatsächlich noch Lexika (man stelle sich das folgende mit einem spöttischen Unterton vor) „für Serien!?“ nutze. Die Rede ist von dem deutschen „Fernsehlexikon“ aus dem Hause Goldmann und dem nicht nur vom Titel her üppigen amerikanischen „Complete Directory to Prime Time Network and Cable TV Shows 1946-Present“ von Ballantine Books. Beide habe ich hier im Blog allem Anschein nach auch noch nie erwähnt — da ist es dringend an der Zeit, um das nachzuholen.
Es mag etwas ungewöhnlich erscheinen, dass man im Zeitalter von IMDb, Wikipedia und „Long Tail“-Fansites immer noch zu gedruckten Nachschlagewerken greift, aber zumindest diese beiden Werke habe ich auch heutzutage noch öfters in der Hand. Denn auch wenn es im Web mittlerweile auch zu sehr obskuren Serien fast immer irgendwo Informationen findet, so sind diese Lexika für mich immer noch eine wichtige Quelle, wenn ich mal wieder darüber grübele, wer den Themesong zu Show XY sang oder wie Serie YZ eigentlich endete.
Ob sie zur Grundausstattung eines jeden Serienjunkies gehören sollten, sei dahingestellt — man muss sich wohl schon sehr für die Materie interessieren und öfters Recherche-Bedarf haben oder gerne in der TV-Geschichte stöbern, um sich solche Brummer ins Regal zu stellen.
Zum Inhalt beider Nachschlagewerke muss man wohl nicht viel sagen. Eine gigantische Liste von TV-Produktionen, alphabetisch geordnet, duh squared. Jede Show erhält dabei eine kurze Beschreibung, vor allem im Fall des deutschen Fernsehlexikons dabei mit einem oftmals amüsanten Unterton, der die Lektüre deutlich aufheitert, ohne aber Zweifel an der Seriosität der inhaltlichen Angaben aufkommen zu lassen. Populäre Serien erhalten dabei in beiden Lexika erwartungsgemäß längere Eintrage (über mehrere Spalten) während kurze Serienflops verständlicherweise meist nur mit wenigen Sätzen abgehandelt werden. Dabei werden nicht nur reine Drama- und Comedy-Serien gelistet, sondern in beiden Werken so ziemlich alles, was jemals über die Äther ging: Von Quizsendungen über Nachrichtenjournale bis zu Clipshows.
Beide Publikationen sind echte Schwergewichte. Mit über 1500 bzw. 1800 Seiten sind das „Fernsehlexikon“ und das „Complete Directory“ recht anspruchsvoll was die Tragkraft des Postboten und die Standhaftigkeit des Buchregals angeht. Eingesetzt als Schlagwaffe dürften sie auch zur Abwehr von Einbrechern oder zur Steigerung des Denkvermögens nützliche Zwecke leisten.
Das „Fernsehlexikon“, das von Stefan Niggemeier und Michael Reufsteck herausgegeben wurde, kann laut eigenen Angaben mit Beschreibungen zu 7000 (natürlich nicht nur deutschen) Serien aufwarten, dazu gibt es auch noch viele Photos von diversen TV-Produktionen und ist dazu auch im Hardcover eingebunden, wirkt also insgesamt hochwertiger. Das „Complete Directory“ von Tim Brooks und Earle Marsh hat zwar nur 6500 Produktionen, keine Photos und nur einen Paperback-Einband mit dünnem Papier, ist dafür aber bei den Lexikaeinträgen ein wenig umfangreicher. So sind bei der Mehrzahl der Serien auch taggenaue Ausstahlungsdetails sowie tabellarische Cast-&Crew-Informationen angegeben. Oftmals gibt es auch weitere Details wie dem Titel und Interpret des Theme-Songs und Informationen zur Handlung im Serienfinale.
Einen größeren Teil des „Complete Directory“ bildet außerdem auf 170 Seiten auch der Anhang. Hier gibt es die kompletten US-PrimeTime-Sendepläne der Jahre 1946-2007, eine Liste aller Emmy-Gewinner, der Serien mit den höchsten Quoten und den meisten Episoden, Reunion-Specials, sowie Listen zu Spin-Offs, Spielfilm-Adaptionen, ein kniffeliges Trivia-Quiz und ein 80-seitiges Register.
Das „Complete Directory“ liegt mittlerweile in der neunten Auflage vor (Edition 2007, bei der Bestellung darauf achten!) und erscheint seit knapp 30 Jahren etwa im Abstand von drei Jahren. Allerdings deuten die beiden langjähigen Autoren im Vorwort bereits an, dass diese neunte Auflage eventuell die letzte Ausgabe darstellen könnte.
Aktualisierte Leseproben aus dem deutschen Fernsehlexikon finden sich mittlerweile auch auf der Website des Co-Autors Michael Reufsteck unter fernsehlexikon.de, die man als Serienjunkie hoffentlich sowieso schon in den Bookmarks hat.
Ich nutze beide Werke nicht nur zum reinen Nachschlagen zu einem bestimmten Stichwort oder einer Fernsehserie. Überhaupt kann man sich desöfteren nur schwer von beiden Lexika losreißen, wenn man beispielsweise mal wieder nur schnell „Der Nachtfalke“ nachschlagen wollte und bleibt beim Blättern bei dem lang vergessenen ZDF-Megaflop „Nase Vorn“ hängen. Oder „Nesthäkchen“ von 1983. Und um dann wieder bei „New York Life“ an ein frühes fanhost.de-Projekt erinnert zu werden.
Ich bezweifle allerdings, ob ich mir zukünftige neue Auflage dieser beiden Lexika anschaffen würde (falls es denn überhaupt noch weitere Auflagen gibt). Denn IMDb, TV.com. Wikipedia & Co. holen wie eingangs schon erwähnt in großen Schritten auf. Und meine DVD-Sammlung frisst allmählich meinen Büchern den Standplatz weg ;-). Dennoch sind beide Publikationen (auch zukünftig) nicht nur ein exzellentes Nachschlagewerk, sondern auch eine nette Möglichkeit zum Stöbern in der Vergangenheit der (eigenen) TV-Geschichte an kalten Winterabenden.
Das „Fernsehlexikon“ kostet im Buchhandel etwa 20 Euro und das „Complete Directory to Prime Time Network and Cable TV Shows 1946-Present“ so um die 22 Euro.
24. Dezember 2007 um 10:26 Uhr
Oh, wußte gar nicht, dass es das “Complete Directory to Prime Time Network and Cable TV Shows 1946-Present” immer noch gibt 😮
Habe mir die Dinger immer besorgt, bis es mit dem internet so richtig los ging. (Ich glaube ich besitzte als letzte Ausgabe, die vorletzte). Vor dem internet war das Buch für „US serienjunkies“ Pflicht 😀
26. Dezember 2007 um 20:12 Uhr
Ich werde mir schenken, redlocks Kommentar Wort für Wort zu wiederholen, denn er spricht die Wahrheit. Habe die neue Ausgabe sofort bestellt (danke für den Tipp). Hatte vor einem halben Jahr gecheckt, da war sie nicht einmal angekündigt, und ich dachte auch, da kommt nichts mehr.
Widersprechen würde ich allerdings der Behauptung, solche Bücher hätten im Internet-Zeitalter keinen Platz mehr. Sie bieten Orientierung und kompetente Bewertung, und das ist mir im Info-Wust des Nets meistens zu dünn. Außerdem kann man die IMDB nicht gemütlich in der Wanne oder auf dem Klo lesen 😉
Grundsätzlich dünnt sich die Menge an Nachschlagewerken natürlich aus, seit es das Internet gibt. Ein nennenswertes Lexikon habe ich seit der Wikipedia nicht mehr im Schrank stehen, und Wörterbücher auch nicht.