Strike.tv

Vor knapp einem Jahr begann der amerikanische Autorenstreik, der fast 100 Tage lang Hollywood lahmlegte. Während des Streiks suchten viele Autoren nach möglichen alternativen Verwertungsmodellen jenseits der etablierten Vertriebsstrukturen über die Produktionsstudios und TV-Networks. Große Hoffnungen wurden dabei auf das Internet und Videoplattformen wie YouTube gesetzt. Jedermann mit einer Videokamera, Internet-Anschluss und einer Idee kann mit vergleichsweise wenig Kosten und Aufwand ein breites Publikum erreichen, ohne auf die großen Hollywood-Studios angewiesen zu sein. YouTube-Hits wie „LonelyGirl15“ waren nur die ersten Vorboten dieser leisen „Revolution“. Jenseits der bekanntesten Vertreter wie „quarterlife“, „The Guild“ oder „Dr. Horrible“ gibt es mittlerweile eine Fülle von kleinen Independent-Webproduktionen. Deutlich gesunkene Preise für HD-Kameras und leistungsfähigere HD-Videoschnittsoftware für PC machen aber auch technisch anspruchsvollere Produktionen einfacher finanzierbar als noch zu Beginn des Jahrtausends.

Schon während des Streiks schlossen sich einige engagierte Autoren und TV-Kreative spontan zusammen, um kleine Protest-Webclips zu produzieren. Viele Pläne für zukünftige Webserien wurden unter den Streikenden geschmiedet, aber wie es nun mal so ist mit großen Plänen: Meist nur ein kleiner Teil wird je realisiert. Der Streik ist nun lange vorüber, viele Autoren haben wieder einen Job und der Rest bereitet sich auf die nächste Pilot-Season vor — der Alltag ist wieder in Hollywood eingekehrt. Aber dennoch hat sich einiges geändert: Mit kleinen, kostengünstigen Webserien haben insbesondere jobsuchende Autoren nun eine weitere Möglichkeit, sich einen Namen zu machen und ihre kreativen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Und nicht für alle Menschen in Hollywood ist nach dem Streik wieder Alltag eingekehrt: Nicht nur Autoren haben ihre Anstellung verloren, auch viele einfache Arbeiter „below the line“, Setdesigner, Caterer, Techniker, Kameraleute, usw. haben mit Arbeitslosigkeit zu kämpfen oder spüren noch die Folgen des mehrwöchigen Produktionsausfalls zu Beginn des Jahres.

Das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden will nun Strike.tv: Eine Publikationsplattform für Independent-Webserien, deren Werbeeinnahmen alle einem guten Zweck zu Gute kommen. Dort stehen nun eine Handvoll Web-Produktionen zum Abruf zur Verfügung, weitere sollen in den nächsten Wochen regelmäßig ergänzt werden. Dabei handelt es sich zum größten Teil um kleine Produktionen von bekannten TV-Persönlichkeiten, aber auch erste Gehversuche von Newcomern. Die technische Qualität kann erwartungsgemäß nicht mit großen Multi-Millionen-Network-Produktionen mithalten und meist handelt es sich auch nur um kurze, 10 minütige Werke gespickt mit Werbung für Gleitmittel. Zudem ist fast durchweg bisher nur jeweils eine Folge abrufbar. Dennoch ist Strike.tv ein erneutes Beispiel dafür, wie sich allmählich ein neuer, vielversprechener Vermarktungsweg über das Internet etabliert.

Hier ein kurzer Überblick über die zur Zeit verfügbaren Produktionen auf strike.tv:

Global Warming
Kristen Wiig (SNL) und Aasif Mandvi (The Daily Show) in einer globalen Lovestory zwischen einer Amerikanerin und einem „out-sourced“ IT-Support-Mitarbeiter aus Indien. Etwas hölzern, bizarr und nur in wenigen Szenen amüsant.

With the Angels
Ein junges Mädel aus einem kleinen ländlichen Örtchen in Arkansas stürzt sich in das High-Life von Kalifornien. Die Serie (von der es bereits drei Folgen gibt) ist komplett aus der Perspektive der Hauptperson erzählt, die eine Art Videotagebuch führt. Sehr melancholisch und träge.

Unknown Sender
In der ersten Folge dieser vermeintlich „gefundenen Videotapes“ will ein Mann (Timothy Dalton („007“)) ein Videotestament verfassen, aber es läuft nicht so ganz nach seiner Vorstellung. Wie viele dieser Strike.TV-Videos wird hier ein 5-Minuten-Video um einen einzigen Gag gestrickt (okay, vielleicht auch zwei). Erinnert ein wenig an die freitäglichen Comedy-Clip-Shows auf Sat.1, nur besser besetzt.

Life in General + Greenville General
Im Grunde eine mäßige Kopie von „Moving Wallpaper“/“Echo Beach“, nur diesmal auf eine Krankenhaus-Soap bezogen.

Daryl From OnCar
Am Anfang ganz witzig, aber dann ging den Autoren der Saft für eine ordentliche Punchline am Ende des Videos aus. Auch wieder so ein Comedy-Clip.

House Poor
Mindy Kaling („The Office“) als frische Hausbesitzerin, die mit allen Mitteln versucht, Geld zur Finanzierung des Hauskauf aufzutreiben. Schöner unkorrekter Humor, der an den „Office“-Stil erinnert, aber auch etwas zu lang. Busy Philipps in einer Nebenrolle.

5 Or Die
Fällt etwas aus dem üblichen Rahmen der anderen StrikeTV-Produktionen heraus: „The Ring“ auf das Internet-Zeitalter übertragen. Ein Amateur-Gore-Fest, wirklich nur für Fans des Genres.

The Challenge
Sitcom-Urgestein Bob Newhart in einem viel zu langen und amateurhaften Comedy-Bit. Aber es ist ja für einen guten Zweck…

Joe & Kate
„Szenen einer Ehe“. Herrlich kurz und knapp — wenn man schon Comedy-Webclips produziert, dann bitte so.

Side Effects
Ein depressiver Mann (Arye Gross) will in einer Apotheke Schlaftabletten kaufen. Vielleicht der beste Kurzfilm im Angebot von Strike.tv: Technisch sauber umgesetzt, mit einer schönen Story und guten Schauspielern.

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