Superstar Betty White. Ausgerechnet in einem Zeitalter, in dem für Frauen über 30 im Film- und TV-Geschäft gute Rollen immer knapper werden, wurde die 88jährige ehemalige „Golden Girls“-Darstellerin während der letzten Monate zu einer der gefragtesten Medien-Persönlichkeiten.
Seit vielen Jahrzehnten ackert sie sich durch unzählige TV-Gastauftritte, Filmrollen und ist sich selbst für lächerliche „Will She Flinch“-Stunts in der Tonight-Show nicht zu schade. Überhaupt scheint sie keinerlei Berührungsängste mit verrückten und ausgefallenen Rollen zu haben, sie spielt scheinbar alles — ihren x-ten „Durchbruch“ hatte sie jüngst in dem simplen Sandra-Bullock-Komödchen „The Proposal“. Man muss sie ja auch irgendwie einfach gern haben, mit unbewegter Miene verkauft sie die trockensten Witze mit perfektem Timing.
Darauf folgten eine viel diskutierte Facebook-Petition, die maßgeblich daran beteiligt war, dass White im Frühjahr sogar erstmalig als Presenter der „Saturday Night Live“-Show (SNL) auftrat. Und auch dort hielt sie sich nicht etwa altersgerecht zurück, sondern spielte in einem Großteil der Sketches mit Hingabe mit. Und prompt erzielte die „Betty White“-Edition von SNL die mit Abstand besten Quoten seit Jahren.
Seither scheint der Hype um die neue „Mutti der Nation“ kein Ende nehmen zu wollen. Plötzlich kann jede TV- und Filmproduktion, die den Namen „Betty White“ auf der Castliste stehen hat, fest mit einem verblüffenden Quotenbonus rechnen. Dazu zählt auch die neue Sitcom „Hot in Cleveland“ auf dem bisher eigentlich nahezu unbekannten Cable-Sender „TV Land“. Es ist das erste Mal, dass „TV Land“ eine eigene Serie an den Start bringt und normalerweise wäre das kaum einen ausführlichen Bericht wert. Aber die Beteiligung von Betty White in einer Hauptrolle katapultierte die Premierenfolge zu einem für das winzige „TV Land“ gigantischen Zuschauererfolg — über 4,7 Millionen Zuschauer schalteten ein (3,3 Mio in der zweiten Woche). Das sind Einschaltquoten, denen jetzt in der flauen Sommerzeit selbst die Big Four Networks eine gewisse Anerkennung zollen.
Dabei ist „Hot in Cleveland“ wirklich absolut durchschnittliches und seit Jahrzehnten bewährtes Sitcom-Material. Setup, Punchline, Lacher (immerhin: „Recorded in front of a live audience“). Nur die obligatorische Couch fehlt zunächst noch, kommt aber schon in der zweiten Folge. Drei Frauen im Alter 40+ verirren sich auf dem Weg von Los Angeles zum Urlaubsziel Paris ausgerechnet in die Provinz von Cleveland, wo Männer noch echte Männer sind und die Frauen nicht vom Schlankheitswahn der Glitzerwelt Hollywoods „verdorben“ sind. Und außerdem lässt es sich da richtig günstig leben — in einer Mietwohnung, in der eine rüstige alte Dame quasi zum Inventar gehört. Richtig geraten, diese „alte Dame“ ist natürlich Betty White.
Ich muss aber zugeben, auch wenn es typisches Sitcom-Material ist, das ist bei weitem nicht das schlechteste, was in den letzten Jahren aus der Comedy-Ecke hervorgebracht wurde. Die Story ist durchaus amüsant und halbwegs genießbar und es freut mich auch endlich wieder Jane Leeves („Frasier“) in einer Hauptrolle zu sehen. Wendie Malick („Just Shoot Me!“) ist auch kein Greenhorn im TV-Comedy-Geschäft. Das sind alles absolute Profis, die auch ein maues Skript aufpeppen können. Die diesjährigen Ungetüme „Hank“, „Accidentally on Purpose“ und „Romantically Challenged“ waren da in meinen Augen deutlich ungenießbarer — insgesamt ist die Show gar nicht mal so übel, wie es der Trailer befürchten ließ.
10 Folgen hat TV Land geordert und die dürften wohl auch ein durchschlagender Erfolg werden. Schade nur, dass für Betty White kein besseres Format gefunden werden konnte. Aber das wird ihrem Status als Superstar keinen Abbruch bringen.