Um dann doch nicht ganz den Anschluss zu verpassen, habe ich mir eine der neuen Herbstserien zu Gemüt geführt. Die Wahl fiel auf die neue ABC-Superhelden-Serie „No Ordinary Family“, deren Trailer im Sommer einer meiner Favoriten war.
Es bedarf wohl nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie der Pitch für diese Serie von den Produzenten Feldman und Berlanti bei den Powers That Be aussah. Man kann ihn mit wenigen Worten zusammenfassen: „The Incredibles“ in echt. „Heroes“ meets „7th Heaven“ und „Hancock“. Eine amerikanische Durchschnittsfamilie verfügt plötzlich über Superkräfte. Genau so wie es sicherlich in tausenden Ratgebern für Möchtegern-Autoren empfohlen wird: Eine Tagline muss simpel und dennoch allumfassend sein, dann klappt es auch mit dem „Elevator Pitch“.
Das bisherige Portfolio von Greg Berlanti und Jon Harmon Feldman lässt eigentlich mit Produktionen wie „Eli Stone“, „Roswell“ und „Tru Calling“ durchaus einiges an Erfahrung mit derartigem „übersinnlich“ angehauchtem Familiendrama erwarten. Genau das scheinen die beiden in „No Ordinary Family“ auch voll auszuspielen: Ihre Routine. Das Endresultat ist zwar hübsche 20-Uhr-kompatible Familienunterhaltung, aber geradezu entsetzlich eintönig in ihrer flachen, klischeeüberladenen Abarbeitung des Kochrezepts für Fernsehserien. Es ist immer ein schlechtes Zeichen, wenn mich eine Serie und ihre Charaktere dermaßen gering interessieren, dass ich an allen Ecken und Enden die „Matrix“ oder das strukturelle Grundgerüst der Episode wahrnehme: Erster Akt, Vorstellung der Hauptfiguren, innere Motivation, erster Anriss der (oberflächlichen) Konflikte, gerne auch mit Voice-Over. Check, check, check. Eine Pilot-Episode genau nach „Fahrplan“. Dazu dazu richtig pöse Bösewichte direkt aus dem BilderComicbuch für Kleinkinder.
Das geht auch in der zweiten Episode so weiter: Plumpe Konflikte aus der Klischee-Schatzkiste zwischen eindimensional gezeichneten Kinderbuch-Figuren. Die dünn gesäten Humor-Elemente, die diese Serie eigentlich so dringend benötigen würde, versickern meist unbeachtet und einsam im Klischee- und Stereotypen-Treibsand, keine ironische Anspielung bietet sich als Rettung an. So nimmt sich die Show trotz ihrer überzeichneten Figuren und Storylines viel zu ernst.
Die Vorhersagbarkeit und der aufdringliche Zaunpfahl-Drama-Stil zieht sich dann auch durch alle Charakterentwürfe. Die typische Musterfamilie, der man als großen „Twist“ immerhin noch den Tausch der üblichen Geschlechterrollen aufgedrückt hat (was aber prompt wieder mit dem ganz dicken Vorschlaghammer in die Story eingeflochten wurde): Mami (Julie Benz) ist die Karriere-Frau, um die Familie darf sich Papi (Michael Chiklis) kümmern, der sich aber vernachlässigt fühlt und natürlich ist es in der Ehe am Kriseln, weil keiner mit dem anderen über die wahren Gefühle spricht. Der Sohn (Jimmy Bennett) hat eine Lernschwäche und die Tochter (Amber-Tamblyn-Lookalike* Kay Panabaker) ist vollauf damit beschäftigt, eine pubertierende Teenagerin und Jungfrau zu sein.
Nun hat diese Familie Superkräfte und so müssen sie alle gemeinsam Verlockungen widerstehen, das Böse in der Welt bekämpfen, beim Elternabend eine gute Figur machen und über dämliche Missverständnisse stolpern, die sich dann am Ende der Episode mit einem schnulzigen Voice-Over ausräumen lassen. Vor zehn Jahren wären vielleicht noch die Special Effects eine Erwähnung wert gewesen, aber im Zeitalter von Durchschnittskosten von 2 Mio Dollar pro Episode für eine Standard-Dramaserie haben sich auch die Ansprüche der Zuschauer an die handwerkliche Umsetzung verändert.
*) Die in einer Szene auch noch eine SMS an Gott schickt. Bin ich der einzige, der kurz an eine gewisse Joan dachte?
Fazit: Sicherlich ist es für die erfahrenen Macher kein Problem, mit genügend Storyideen für einige Staffeln aufzuwarten, aber ich bezweifele, dass mich auch nur irgendeine davon interessieren wird. Vermutlich bin ich einem Missverständnis zum Opfer gefallen, diese Serie richtet sich keineswegs an die Zielgruppe der früheren „Heroes“-Fans oder SciFi-Freunde. Das hier ist vielmehr klassisches „7th Heaven“-Territorium, das eigentlich ein paar Jahre zu spät dem Superhelden-Hype nacheifert. Für Serienfans mit jungen Kindern sicherlich eine gute Gelegenheit für einen gemeinsamen Fernsehabend, aber der Rest wird sich wohl gelangweilt anderen Dingen zuwenden. Selbst die Quoten passen voll und ganz in das Bild dieser „ordinären“ Serie: Sie liegen im ABC-Durchschnitt.
Kategorie: Lohnt sich nicht.