Adventureland
Über eine lange Zeit konnte ich bei Diskussionen zu vielversprechenden Nachwuchs-Schauspielerinnen immer den obskuren Namen „Kristen Stewart“ in den Ring werfen, um den Filmkenner-Angeber-Pot abzuräumen. Noch immer kennt (leider) kaum jemand hierzulande „Speak“ (2004) und wer kann sich noch an die Film-Tochter von Jodie Foster in „Panic Room“ (2002) erinnern oder will zugeben, dass man „Zathura“ (2005) unterhaltsam fand? Doch dann kam „Bella Swan“. Als „Twilight“-Hauptdarstellerin hat Stewart seit Monaten ein Abo auf die Titelblätter der diversen Teenie-Postillen und ist wohl auch vielen Teen-Popkulturverweigern mittlerweile ein Begriff. Nein, ich habe „Twilight“ nicht gesehen und nach meinem Buch-Marathon auch keine Pläne, das in nächster Zeit zu ändern. Eine kleine Neugier auf die Performance „meiner ehemalige Entdeckung“ Kristen Stewart als „Bella“ kann ich dennoch nicht leugnen. Als Alternative passte es da ganz gut, dass Ende Juli endlich „Adventureland“ mal in Deutschland in ein paar Kinos anlief. In der Verfilmung von Greg Mottolas Jungenderinnerungen an einen Coming-of-Age-Sommer spielt sie die weibliche Hauptrolle.
Pittsburgh, Sommer 1987. James ist 22, frischgebackener College-Absolvent und Jungfrau (nicht das Sternzeichen). Seine Freundin hat ihm gerade nach nur zweiwöchiger Beziehung den Laufpass gegeben. Auch seine Eltern haben ein ganz besonderes Graduation-Geschenk: Sie sind pleite und damit lösen sich James‘ Pläne für einen lange geplanten Europa-Trip ebenso erstmal in Luft auf wie seine Aspirationen für die Aufnahme an einer Graduate School in New York. Um wenigstens etwas Geld für seine New-York-Lebensträume zusammenzubekommen, sucht sich James einen Sommerjob in seiner Heimatstadt. Doch er muss feststellen, dass die Nachfrage nach überqualifizierten Akademikern ohne jegliche berufliche Praxis-Erfahrungen gleich Null ist. So findet er sich eines Tages als miserabel bezahlte Aushilfe im heruntergekommenen Freizeit-Park „Adventureland“ wieder. Einziger Lichtblick in seinem nun mit herzhaftem Selbstmitleid ausgefüllten Leben ist seine neue Sommerjob-Kollegin „Em“ Emily (Kristen Stewart).
„Adventureland“ ist eine recht geradlinige Nostalgie-Romantik-Komödie für Twenty- und Thirtysomethings. Der zuweilen an der Grenze zur Aufdringlichkeit dahintingelnde 1980er-Soundtrack aktiviert geradezu zwangsläufig das „ach, war das damals schön“-Verklärungszentrum irgendwo tief im Stammhirn. (Wer bei „Don’t Dream It’s Over“ von Crowded House nicht ins träumerische Reminiszieren verfällt, ist nicht in den späten 80ern aufgewachsen.) Das Original-Drehbuch von Greg Mottola ist gespickt mit Musik-Referenzen und nennt ein paar andere Soundtrack-Songs als dann im fertigen Film auftauchen, unter anderem „Everybody Knows This is Nowhere“/“Cowgirl in the Sand“ von Neil Young (hat übrigens im Drehbuch die Bedeutung, die im Film durch Lou Reed ersetzt wurde), diverse „The Smiths“-Songs und „These Dreams“ von Heart. In Sachen aufwändiger Soundtrack-Auswahl steht der Film also beispielsweise „High Fidelity“ oder beliebigen Cameron-Crowe-Produktionen in Nichts nach.
Ich glaube, da liegt auch ist das Hauptanliegen des Films: Eine kleine, R-rated-amüsante und autobiographisch angehauchte Coming-of-Age-Zeitreise zurück in die 80er. Der Aufbruch ins „richtige“, selbständige Leben, die erste ernsthafte Beziehung, Grenzen austesten, die typischen Dummheiten und die Konfrontation mit dem realen Alltag des Erwachsenseins mit all seinen neuen Verpflichtungen und Schwierigkeiten.
Auch wenn der Film im weitesten Sinne aus dem Judd-Apatow-Dunstkreis stammt (Autor/Regisseur Greg Mottola war auch bei „Superbad“ und „Undeclared“ dabei und ist ein guter Freund von Apatow und Seth Rogen) und als R-rated-Comedy zumindest auf den ersten Blick in den „Superbad“-Gefilden wildert, ist der Film doch etwas bodenständiger und zurückhaltender als die meist mit anzüglichen Witzen und Marihuana-Referenzen überladenen Apatow-Produktionen. Natürlich ist Marihuana aus dem Film nicht wegzudenken und auch Sex-Anspielungen sowie reichlich „foul language“ gehören zum guten Ton dieser „Rated R“-Produktion. Überzeichnete Charaktere wie der geschäftstüchtige und hyperaktive „Junior Manager“ Bobby (Bill Hader, SNL), der ausgeflippte Frigo, oder James‘ neuer Leidenskollege Joel (der unkopierbare Martin Starr, „Freaks and Geeks“) runden das schrille Bild ab, aber dominieren es nicht und sorgen lediglich für zahlreiche Auflockerungen am Rande. Stattdessen steht die (natürlich komplizierte, duh) Liebesbeziehung zwischen James und „Em“ Emily im Vordergrund.
Fast schon eine kleine Überraschung ist Ryan Reynolds („The Proposal“) in einer ernsteren Rolle. Hauptdarsteller Jesse Eisenberg macht seine Sache sicherlich gut, aber man kann einfach nicht den offensichtlichen Eindruck vermeiden, dass er möglicherweise nur die zweite Wahl nach Michael Cera gewesen war. Kristen Stewart spielt überzeugend eine Variation des „gequälten und rebellierenden Twen“ in der Selbstfindungsphase.
Autobiographisch angehauchte Erzählungen garantieren nicht automatisch abwechslungsreiche und überraschende Geschichten, so auch nicht in „Adventureland“, dem auch noch für meinen Geschmack ein zu kuscheliges Ende aufgezwängt wurde. Die Hauptstory um die Beziehung zwischen Em und James entwickelt sich nicht nur für „Kenner“ des Teen/Twen-Coming-of-Age-Genres recht vorhersehbar und wenig originell. Aber der Film bietet dennoch sympathische und unterhaltsame 90 Minuten mit vielen tragikomischen Momenten, nicht nur für hoffnungslose Romantiker.
„Adventureland“ ist ein netter Sommerfilm für einen kleinen 90-Minuten-Trip zurück in die eigene Jugend und die Popkultur der 1980er. Eine endgültige Entscheidung über das Ignorieren von „Twilight“ macht er aber auch nicht einfacher.
12. August 2009 um 21:54 Uhr
Jesse Eisenberg ist der weitaus bessere Michael Cera IMHO. Er war absolut super in „Der Tintenfisch und der Wal“ und ich möchte „Adventureland“ eigentlich mehr seinetwegen sehen als um Miss „I’m like you, just better“ Stewarts Willen. Cool dass du den Film hier vorstellst 🙂
12. August 2009 um 22:19 Uhr
Super, läuft lt. kino.de in Deutschland in drei Kinos (Mönchengladbach, Nürnberg, Stuttgart). 🙁
Aber wir wissen ja wo man u.a. aktuelle US-Serien bekommt… 😉
13. August 2009 um 11:31 Uhr
@zarina: In „Der Tintenfisch und der Wal“ war er deutlich besser und hatte auch mehr zu tun, seine Rolle war weitaus facettenreicher, seine Leistung in „Adventureland“ kommt da IMHO nicht heran. Allerdings war „Der Tintenfisch und der Wal“ insgesamt auch ein anspruchsvolleres Projekt (und um einiges schwerer zu verdauen :).
15. August 2009 um 11:47 Uhr
Alles klar :-). Ich lese öfters von Vergleichen/angeblichen Ähnlichkeiten zwischen Eisenberg und Cera, aber ich kann dem halt so gar nicht zustimmen. Michael Cera muss ganz dringend mal eine andere Rolle als sich selbst spielen. Ich hab ihn bisher in Juno, Superbad (what? Mir war langweilig!) und Nick and Norah’s inifinite playlist gesehen und er hat echt in allen drei Filmen den gleichen Charakter gespielt und zwar ohne erkennbare Unterschiede. Der schlafwandelt sich durch die Filme, aber er ist erfolgreich damit und daher wird sich wohl vorerst nichts ändern, zumindest nicht bis sein Gesicht einen gewissen Alterungsprozess durchgemacht hat. Fairerweise muss man ja auch sagen, dass er noch wirklich sehr jung ist und es nicht sooo viele Rollen für so junge Schauspieler gibt.
Speaking of Nick and Norah, die Hauptdarstellerin, Kat Dennings, müsste dir doch eigentlich gefallen, oder Sab? Hab ich vielleicht einen Eintrag zu ihr hier irgendwo verpasst? 😉
15. August 2009 um 14:35 Uhr
In „Adventureland“ ist Eisenberg schon sehr ähnlich zu Cera, vermutlich kommen die Vergleiche daher. Es stimmt, Michael Cera spielt im Grunde immer die gleiche Note, aber die trifft er dann auch gut. Er hat ein passables Comedy-Timing, was ihm natürlich schon bei Arrested Development nutzte. Aber ich bin auch gespannt, mal etwas „anderes“ von ihm zu sehen: Die Fake-Documentary „Paper Heart“ scheint zumindest persönlicher zu sein, wenn man den Trailern glauben darf. Aber darüberhinaus ist es wohl auch nur wieder eine leichte Variation seiner „Juno“-Rolle.
Nick and Norah hab ich noch nicht gesehen, auch Kat Dennings ist mir bisher noch nicht besonders aufgefallen. Ich werd’s mir aber mal vormerken.