Ja, ich weiss, in letzter Zeit häufen sich hier die Movie-(Mini-)Reviews, aber die x-te Meldung über den y-ten Serien-Pilot-Order gestaltet sich derzeit etwas eintönig (vor allem da 70% dieser Projekte eh nicht über den Piloten herauskommen). Ende April wird’s mit den nahenden Upfronts wieder spannender.
Dagegen sind Filme wie „Closer“ doch deutlich faszinierender. Nach „Garden State“ war ich ja sehr gespannt darauf, „Closer“ zu sehen — ja, wegen Natalie Portman. Der Film läuft derzeit noch in einigen deutschen Kinos (unter dem Titel „Hautnah“). Aber wohl nicht mehr lange – er läuft schon seit dem 13. Januar.
Der Spielfilm ist so ziemlich das Gegenteil von „Garden State“. War „Garden State“ eine schöne, einfühlsame Liebesgeschichte, so ist „Closer“ fast schon eine Art Anti-Liebesgeschichte — und das obwohl die Hauptakteure doch vermeintlich ständig verliebt sind. Aber mit „Liebe“ ziehen hier Lügen, Betrug und Brutalität einher.
„Closer“ basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Patrick Marber und wie es bei Adaptionen von Theaterinszenierungen üblich ist, tendiert der Film zu einer gewissen Dialoglastigkeit. Dementsprechend gibt es auch wenige Locations, wenige Darsteller, aber hochintensive Interaktionen der Hauptcharaktere.
Im Mittelpunkt steht die junge Stripperin Alice (Natalie Portman), die gerade aus New York nach London umgezogen ist und dort auf den Journalisten Dan (Jude Law) trifft. Die beiden verlieben sich, werden ein Paar, doch nach einigen Monaten beginnt Dan eine Affaire mit der Fotografin Anna (Julia Roberts). Anna verliebt sich schließlich jedoch in den Dermatologen Larry (Clive Owen) und über einen Zeitraum von vier Jahren entwickelt sich ein kompliziertes Beziehungsgeflecht, das geprägt ist von Lügen, vermeintlicher Liebe und Charakteren, die weder sich selbst noch ihren Nächsten wirklich kennen. Im Grunde ist die Story nichts anderes als das übliche Beziehungsvieleck, das man tagtäglich in diversen TV-Soaps vorgeführt bekommt: X tut es mit Y und Z darf nichts davon wissen. Umso interessanter ist es, was man aus diesem Storyprinzip herausholen kann.
„Closer“ fasziniert von der ersten Minute und lässt bis zur letzten Szene nicht mehr los. Und das obwohl man sich (hoffentlich) kaum mit einem der Charaktere identifizieren kann. Regisseur Mike Nichols („The Graduate“) überzeugt bei der Umsetzung des Drehbuchs mit einfachen stilistischen Mitteln, die einen großen Effekt haben. Dazu zählen auch die Zeitsprünge innerhalb des Films, die man als Zuschauer erst einmal bemerken und richtig einordnen muss. Die Kameraführung ist exzellent-unaufdringlich. Ein gelungener Soundtrack (vor allem bestimmt durch Damien Rice‘ „The Blower’s Daughter“) trägt nicht unwesentlich dazu bei, die Emotionen zum Zuschauer zu übertragen. Die Songzeile „Can’t take my mind off of you“ wird geradezu zur perfekten Repräsentation der teilweise von Verzweiflung bestimmten Beziehungen zwischen den Chrakteren.
Natalie Portmans schauspielerische Leistung ist atemberaubend. Die Transformationen, die sie über den Verlauf der 100 Minuten und teilweise innerhalb einzelner Szenen durchmacht, sind Welten von ihrer „Star Wars“ Performance entfernt (no pun intended). Zwar hat man auch hier immer mal wieder Probleme zu glauben, dass das nicht mehr die 13jährige aus „Léon“ ist (weil sie auch mit 23 wirklich immer noch verflucht jung aussieht), insbesondere wenn die aufgeladenen Strip-Szenen über die Leinwand flimmern, rappelt man sich unwillkürlich etwas irritiert im Kinosessel auf.
Aber auch die Leistungen von Julia Roberts, Clive Owen und Jude Law sind beeindruckend. Insbesondere Julia Roberts hat seit den eher anspruchslosen (aber unterhaltsamen) Komödien wie „Notting Hill“ einen ansehnlichen schauspielerischen Reifeprozess durchgemacht.
Jugendfrei ist der Film sicherlich nicht. Da wurde erst gar nicht versucht, ein „R-Rating“ der MPAA zu vermeiden — es wird drauflos geflucht, was das Zeug hält. Hier geht es auch nicht um süßen „Blümchen-Sex“, sondern hier wird „gefickt“ und „geblasen“ was das Zeug hält. Von den Szenen im Striplokal wollen wir erst gar nicht reden… Die „dreckige Seite“ des Sex steht hier nunmal im Vordergrund.
Insgesamt ein empfehlenswerter Film, wenn man auf („schmutzige“) dialoglastige, theaterähnliche Filme steht und auf ein zuckersüsses Schmachtfest verzichten kann. Die Schauspielerleistungen sind reihum erstklassig und sicherlich eine Oscar-Nominierung wert. Für Fans der Hauptdarsteller unbedingt ein Muss, für Filmliebhaber ebenso. Definitiv nichts für die Abende, an denen einem der Sinn nach SFX-Action oder einer glücklichen, familienfreundlichen Liebesgeschichte steht (man sollte sich durch den Namen Julia Roberts im Cast nicht dazu hinreissen lassen, eine „Pretty Woman“-Komödie zu erwarten).
Etwas enttäuschend ist der Umfang der geplanten US DVD Release, die Ende März erscheint. Als einziges Extra ist wohl der „Superbit“-Transfer zu nennen, zusammen mit einem Musikvideo. Sonst nichts. Sehr schade.
Eines hat der Film auf jeden Fall geschafft: Auch den nächsten Natalie Portman Film werde ich wohl nun nicht verpassen wollen. Und somit steht nun auch der Kurzfilm „True“ auf meiner Must-See Liste — eine kurze Liebesgeschichte mit Natalie Portman, gedreht von Tom Tykwer im Sonner 2002 in Paris. Der Kurzfilm wird 2005 im Rahmen einer Hommage an Paris mit dem Titel „Paris, je t’aime“ veröffentlicht. 20 Regisseure haben dazu in den 20 Arrondissements von Paris kleine, zehnminütige Filme gedreht.