Posts Tagged ‘The-Book-of-Daniel’


The Book of Daniel

Montag, 9. Januar, 2006

Die neue NBC Midseason Serie um einen Priester und seine dysfunktionale Familie hat ja bereits im Vorfeld einigen Wirbel verursacht. Alles andere als eine brave, christliche „7th Heaven“ Kopie porträtiert „The Book of Daniel“ das sarkastisch überspitze und reichlich überzeichnete Bild einer Priesterfamilie im Ausnahmezustand und brachte vor allem im amerikanischen „Bible Belt“ ganze Landstriche gläubiger Christen gegen sich auf. Dass die Show von einem bekennenden Homosexuellen geschrieben wurde, lieferte den Gegnern der Show nur noch mehr Munition. Mehrere regionale Sender im NBC-Verbund weigerten sich gleich vorneweg, die Pilotepisode auszustrahlen und die sowieso bereits solide aufgestellten konservativen Christenverbände in den USA fordern die sofortige Absetzung dieser „unchristlichen“ Show.

NBC ist diese Reaktion wohl einerseits recht. „There’s no such thing as bad press“ heisst ein alter PR-Leitsatz. Wenn sich solche konservative Lobbygruppen so vehement über eine neue Show aufregen, dann wird das vor allem die Zuschauer in den „blue states“ umso mehr auf die Serie aufmerksam machen. Dennoch bemühte sich NBC im Vorfeld besonders intensiv um positive Kritikerstimmen.

Ist der ganze Wirbel überhaupt gerechtfertigt?
Auf den ersten Blick ist es eine Art „Six Feet Under“ meets „Joan of Arcadia“. Die Serie dreht sich um den tablettensüchtigen Priester Daniel Webster (Aidan Quinn). Seine Frau (Susanna Thompson) greift ständig zur Flasche, seine Tochter wurde wegen Drogenbesitzes verhaftet und zeichnet Mangas, sein Sohn ist schwul, sein asiatischer(!) Adoptivsohn ist ein Sexmaniac. Moment, es geht noch weiter: Sein Vater ist Bischof [SPOILER: und hat eine Affäre mit Daniels Kollegin], Daniels Mutter ist derweil schwer an Alzheimer erkrankt, Daniels Schwiegerbruder brannte gerade mit $3 Millionen Dollar Kirchenspenden durch, sein bester Freund ist ein katholischer Priester, der enge Verbindungen zur Mafia pflegt… und so weiter. Hieran sieht man schon, „The Book of Daniel“ treibt es einfach zu weit. Dysfunktionale Charaktere schön und gut, aber hier versucht man mit dem Vorschlaghammer auf einem Broadcast Network das Niveau von „Six Feet Under“ oder „Sopranos“ zu erreichen. Diese HBO-Vorbilder für „Daniel“ sind jedenfalls unverkennbar. Die Story wird von Szene zu Szene irrationaler und absurder — wirklich jeder der Charaktere hat irgendwelche schrägen Macken oder Leichen im Keller. Ständig wird versucht, dem letzten ungläubigen Staunen beim Zuschauer noch eins draufzusetzen und leider überreizt man es schließendlich. Dem Zuschauer wird es somit immer schwieriger gemacht, sich ernsthaft für die Charaktere zu interessieren, die wenigen echten Drama-Momente dieser Dramedy können dieses Defizit nicht ausgleichen.

Damit soll aber nicht gesagt sein, dass die Show nicht sehenswert sei. Denn über den Verlauf der zweistündigen Pilotdoppelfolge gelingen der Serie zahlreiche „goldene“ Momente, die wirklich genau ins Schwarze treffen. Dies ist vor allem einem gewitzten Dialogscript und exzellenten Darstellern zuzuschreiben (Aidan Quinn ist wirklich hervorragend in seiner Rolle). Viele Szenen sind herrlich pointiert und Comedy-Gold. Ich habe beispielsweise herzlich gelacht als plötzlich [SPOILER: der an einen Hippie erinnernde Jesus im Auto neben Daniel auftauchte als wäre es das Normalste der Welt]. (Tiefgläubige Christen dürften sich durch solche Szenen natürlich zur Rotglut getrieben fühlen.) Aber leider wird dann in der nächsten Szene meist versucht, dem noch eins draufzusetzen. Insgesamt wirkt die Show dann übermotiviert und über das Ziel hinausgeschossen. Der Show fehlt einfach die Subtilität.

NBC wird zunächst acht Episoden der Serie zeigen. Ob sie im Herbst für weitere Episoden zurückkehrt, bleibt abzuwarten. NBC ist kein HBO.

 

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen