Eine Serie um einen erfolgreichen Yuppie-Anwalt, der überraschend ein 10 Monate altes Kind von seinem verstorbenen Cousin erbt und nun sein ganzes Leben umstellen muss, das bisher nur von schnellen Autos und One-Night-Stands geprägt war — das klingt eigentlich eher nach einem billigen SatSieben Movie of the Week oder einer im Suff entstandenen Sitcom-Idee. Und wenn es dann auch noch heisst, dass diese Story in einer Dramaserie auf dem Mini-Network UPN laufen soll, geht man als Zuschauer mit extrem niedrigen Erwartungen an eine solche Sache ran. Und auf der Suche nach einem einprägsamen Titel für die Serie kam man schon wieder nicht weiter als bis zum Namen des Hauptcharakters. Naja, wenn man eh nichts anderes zu tun hat… und es wird ja schon so früh dunkel… und „Veronica Mars“ hörte sich ja auch erstmal ziemlich doof an…
Und dann passiert „Kevin Hill“ … so schnell wird wohl keiner mehr Witze über UPN machen.
Die Story ist nun wirklich nicht neu. Nicht erst seit Tom Selleck in „3 Männer und ein Baby“ durchs Bild stoplerte, haben dutzende Spielfilme, TV-Movies und Sitcoms ein ähnliches Konzept aufgefahren. Doch „Kevin Hill“ ist anders und von der ersten Minute sympathisch. Das liegt vor allem an der beeindruckenden Präsenz von Hauptdarsteller Taye Diggs, der verblüffend glaubwürdig herüberkommt – sei es als draufgängerischer Yuppie oder als überforderter junger und sorgender Vater.
Dazu kommt ein erstklassiges Skript, das perfekt den schmalen Grat zwischen „Will & Grace“-Schwulencomedy, „The Practice“-Anwaltskrimi und ernsthaftem Drama mit Tiefgang meistert. Auch die Nebendarsteller überzeugen. Christina Hendricks („Firefly“) als schüchterne, aber gerissene Anwältin überrascht positiv, Michael Michele gefiel schon in „ER“ und Patrick Breen als schwule Nanny sorgt für den leichten Comedy-Touch.
Nach „Veronica Mars“ ist „Kevin Hill“ gleich das zweite qualitativ überzeugende Drama, das man im letzten Jahr selbst auf den großen Networks zum großen Teil vergebens suchte. Da verzeiht man auch das Betiteln der Serien nach dem Hauptdarsteller. Vielleicht hat es mit der Reality-Schwemme zu tun, dass gute hochwertige Skripte jetzt mehr und mehr auch an die kleinen Networks „verdrängt“ werden – mir soll’s recht sein.
Im Gegensatz zu „Veronica Mars“ ist „Kevin Hill“ aber auch ein großer Zuschauerhit. Mit über 4 Millionen Zuschauern machte die Premiere das parallel laufende „The Mountain“ (2,96 Mill. Zuschauer, WB) zu Recht kräftig nass. Hoffentlich können beide UPN Produktionen ihre hohe Qualität auch über eine ganze Staffel halten.