In einem akuten Anflug von kompletter Arbeitsunlust über die Weihnachtsfeiertage habe ich innerhalb von knapp einer Woche die vierteilige „Twilight“-Vampir-Saga aus der Feder von Stephenie Meyer durchgeackert (deutscher Titel: „Bis(s) zum Morgengrauen“).
Ja, ich weiß, jetzt stöhnen einige Blog-Leser da draußen auf … „jetzt liest der endlich mal ein Buch und dann so einen Teenage-Schund?“ :-). Es ist in der Tat schon einige Zeit her, seit ich über 2000 Seiten in so kurzer Zeit von einem einzigen Autor vertilgt hätte, aber ich musste einfach mal wieder „abschalten“ und da kam mir diese unkomplizierte Teen-Vampir-Soap gelegen. Der Hype um „Twilight“ ist zugegebenermaßen in den letzten Jahren komplett an mir vorübergegangen, lediglich die Meldungen um den Kino-Start der Verfilmung des ersten Bandes habe ich nebenbei registriert. Seit ich mir dann die vier Bände in der Originalfassung bei einer Freundin für ein paar Tage „unter den Nagel reißen“ konnte, habe ich aber meine „Popkultur“-Wissenslücke wieder gefüllt und verstehe nun endlich auch die endlosen „Bella & Edward„-Referenzen im Web ;-). Man muss ja auf dem Laufenden bleiben und als schrilles Big-Budget-Kontrast-Programm zu „Let the right one in“ ist die Sache eine Betrachtung wert.
Die „Twilight“-Saga fällt eigentlich in den Bereich der „Young Adult“-Literatur und richtet sich auch wohl vor allem an die weibliche Leserschaft — also schon gleich zwei wesentliche Zielgruppen-Kriterien, die ich nicht erfülle — was mir aber wie eingangs erwähnt recht egal war. „Twilight“ erzählt im Wesentlichen die Liebesgeschichte zwischen der 17jährigen Schülerin Bella Swan und dem zumindest äußerlich gleichaltrigen Vampir Edward Cullen. Bella ist nach der Scheidung ihrer Eltern aus dem sonnigen Phoenix zu ihrem Vater in das verregnete Forks in der Nähe von Seattle gezogen, um ihren High-School-Abschluss zu machen. Dort ist sie erstmal „die Neue“, aber rasch weckt eine mysteriöse Familie ihre Aufmerksamkeit, die am Rande des kleinen Städtchens lebt. Insbesondere einer der „Söhne“, Edward Cullen, fasziniert sie auf ganz seltsame Weise und bereits nach kurzer Zeit verbindet die beiden eine besondere Beziehung. Es entwickelt sich eine ungewöhnliche Liebesbeziehung zwischen einer schüchternen und tollpatschigen Schülerin mit angeschlagenem Selbstbewusstsein sowie einem attraktiven und mysteriösen, jungen und unsterblichen Vampir, die fortan Stoff für vier Romane liefert. Gemeinsam müssen sich die beiden durch zahlreiche dramatische Situationen kämpfen, die nicht nur ihre ungewöhnliche Beziehung oftmals stark strapaziert, sondern auch ihre Freunde und Familien diverse Male in Lebensgefahr bringt.
Der erste Band, „Twilight„, ist in meinen Augen auch der beste der Reihe. Hier ist Meyers Schreibstil noch am sorgfältigsten, sie spendiert großzügig Adjektive und Adverbien und die Handlung ist abwechslungsreich und durchaus spannend aus der Sicht von Bella erzählt. Dieser erste Teil steht in meinen Augen auch am ehesten noch separat, während die folgenden Romane „Full Moon“, „Eclipse“ und „Breaking Dawn“ im Grunde schon fast eine Einheit bilden. „Full Moon“ ist eine kleine offensichtliche Hommage an „Romeo & Juliet“ während „Eclipse“ wiederum den Klassiker „Wuthering Heights“ als Vorbild nimmt. So manches Mal driftet die Erzählung in ausschweifende und romantisch verklärte Träumereien ab, aber ich denke das dürfte angesichts der jungen und weiblichen Zielgruppe keine große Überraschung darstellen. Die „Twilight“-Saga und die Hauptfigur Bella ist auch ein klassisches Beispiel für eine in Literatur gegossene „Wunschtraumerfüllung“ in Form eines idealen, märchenhaften Hauptcharakters, der magische Abenteuer meistern muss und der dadurch auch reichlich Identifikationsmöglichkeiten für die Leser (und die Autorin?) bietet.
Der Abschluss „Breaking Dawn“ ist dann allerdings in mehrfacher Hinsicht ein seltsames Produkt. Eigentlich ist die „Twilight“-Serie durch und durch eine romantische Teenager-Erzählung, die sich zunächst konservativen Moralvorstellungen verschrieben hat. Die komplizierte Beziehung zwischen einem Vampir und einer 17jährigen Schülerin schlägt erwartungsgemäß zunächst genau die richtigen Anspielungen auf die schwierige Annäherung an das andere Geschlecht in den Teenager-Jahren an. Doch im Finale „Breaking Dawn“ fällt Meyer dann plötzlich kannibalisch über ihre eigenen Prinzipien her und wählt einen bizarren Horror-Pfad, nur um dann am Ende doch wieder nur einen einfachen Ausweg zu suchen (was wohl auch wieder in die These der „Wunschtraumerfüllung“ passt). „Breaking Dawn“ wirkt überstürzt geschrieben, insbesondere im letzten Drittel scheinen ihr die Auswege (oder der Mut) für die im Laufe der Roman-Reihe eingeschlagenen Pfade ausgegangen zu sein. Obwohl meine Erwartungen im Vorfeld auch nicht sonderlich hoch waren, stellte das Ende dennoch eine gewisse Enttäuschung dar.
Der Hauptgrund, warum ich mich durch alle vier Bände „durchgearbeitet“ habe, war wohl ein gewisser sportlicher Ehrgeiz und auch Neugier. Ich wollte herausfinden, wie Meyer all diese Storyfäden zu einem Ende bringt — wie sie es schafft, die zentralen Probleme und Wünsche ihrer Charaktere zu befriedigen (oder nicht) und inwieweit sie dabei unbequeme Pfade wählen würde. Unbequem (oder unbefriedigend) war’s dann aber letztlich nur für den Leser, nicht für die Charaktere. Aber die Reihe als „schlecht“ zu bezeichnen wäre aus meiner Sicht auch unfair, denn Meyers Produkt ist angenehm leichte Kost — wenn man mit den entsprechenden Erwartungen an die Sache herangeht.
Auf der Hand liegt der Vergleich zu „Buffy„. Meyer hat nach eigenen Angaben noch nicht mehr als eine Folge von „Buffy“ gesehen. Die TV-Serie ging jedoch deutlich mutiger viel kontroversere Themen an und brachte die Vampir-Story als Metapher auf den alltäglichen Teenage-Horror viel weiter voran als Meyer es geschafft hat. Ihr gelingen nur wenige Andeutungen im Laufe der Reihe und am Ende verliert sie sich in ein überstürztes Finale, in dem sie schwierige Entscheidungen konsequent vermied. In diesem Aspekten enttäuscht dann die „Twilight“-Saga auch am meisten: Trotz des großen Potentials und des angenehmen Schreibstils von Meyer bleibt das Gesamtprodukt dann vor allem wegen dieser Oberflächlichkeit hinter den Möglichkeiten zurück.
Meyer gilt (zumindest in den großen Augen ihres Verlages) schon als neue J.K. Rowling, und mit dem fulminanten Einspielergebnis des „Twilight“-Films in den USA sowie der anlaufenden Merchandising-Lawine ist sie wohl zumindest finanziell auf dem Weg in diese Richtung. Offiziell gilt die „Twilight“-Saga mit dem Erscheinen des vierten Bands „Breaking Dawn“ als abgeschlossen. Doch ich kann mir nicht vorstellen, dass man vor allem beim Verlag ein Interesse daran hat, das Franchise so schnell abzuhaken. Und dementsprechend sind auch schon weitere Projekte in der Pipeline: Ein „Official Twilight-Guide“ erschien vor wenigen Tagen, die Film-Fortsetzung der Teile zwei und drei werden gleich an einem Stück produziert und Meyer hat bereits angekündigt, dass ihr neuer Roman „Midnight Sun“ die Ereignisse des ersten Bands „Twilight“ aus der Sicht von Edward erzählen wird. Zudem hat sie bereits angedeutet, dass sie zwar die Geschichte von Bella & Edward als beendet ansieht, aber keineswegs die Geschichte der Vampir-Familie Cullen. Passenderweise lässt „Breaking Dawn“ auch genau dort noch viele Ansatzpunkte für weitere Erzählungen. Stephenie Meyer hat neben der Twilight-Reihe mittlerweile auch noch einen SciFi/Horror-Roman für Erwachsene veröffentlicht: „The Host“ nennt sich das Werk.
Die Verfilmung des ersten Teils, „Twilight„, kommt am 15. Januar auch in die deutschen Kinos. In der Hauptrolle ist Kristen Stewart zu sehen, die sich spätestens mit diesem Film einen Platz in der Top-Riege von Hollywoods Nachwuchsstars erobert hat. Kristen könnte vielleicht noch dem ein oder anderen aus dem exzellenten „Speak“ in Erinnerung sein, sie hatte mich jedenfalls schon damals beeindruckt.
Aus reinem „Forscherinteresse“ war auch das Twilight-Drehbuch (PDF via raindance.co.uk) aufschlussreich — schließlich stellt sich hier wieder das alte Problem: Wie transformiert man die 500 Seiten einer Romanvorlage in einen 90-Minuten-Spielfilm? Dementsprechend liest sich das Drehbuch wie eine Cliffnotes-Version der Vorlage und zumindest aus diesem Blickwinkel ist es einigermaßen interessant zu sehen, wo Autorin Melissa Rosenberg Abkürzungen wählt und wie sie nahezu ohne Voice Over auskommt.
Geez, jetzt habe ich doch tatsächlich mehr als tausend Wörter über eine Romanreihe geschrieben, die mich eigentlich gar nicht sonderlich begeistern konnte. Herrlich.