Heroes
Sonntag, 23. Juli, 2006Inhalt in einem Satz: Ganz normale Menschen entwickeln Superkräfte. NBC.
Leichte Spoiler voraus.
Pilot Quick-Preview: Ich bin sehr überrascht von der ruhigen, fast schon behutsamen Umsetzung des Konzepts. Da hätte man locker eine platte „Freak of the Week“-Actionshow daraus machen können, doch man geht das Thema etwas zurückhaltender an und orientiert sich stärker an den Erzählmethoden bekannter Comic-Mythologien. Natürlich gibt es ein paar sehenswerte Special-Effects, aber sie stehen nicht unbedingt im Mittelpunkt dieses Dramas. Nein, es wird stattdessen sehr viel Zeit in die Entwicklung der Charaktere gesteckt. Und im deutlichen Gegensatz zu „Jericho“ gelingt das in meinen Augen auch im vollem Umfang: Alle Charaktere der Pilotepisode haben mich auf Anhieb interessiert. Allerdings kommen in den folgenden Episoden ja noch weitere Personen hinzu — also dies erstmal unter Vorbehalt. Auch wird die finale Episode etwas kürzer und anders geschnitten sein, was zu Lasten ruhigerer, dialoglastiger Szenen gehen dürfte. Zudem ist der noch ausstehende Greg Grunberg Subplot etwas actionreicher.
Die Philosophie der Episode erinnert stark an klassiche Superhero-Comics und an die jüngsten „Spiderman“-Verfilmungen. Es ist die Geschichte von ganz normalen Menschen, die über sich hinauswachsen — und den inneren Konflikten, die damit einhergehen. Das dürfte auch viele Zuschauer ansprechen: Da werden ganz normale Menschen porträtiert, die aber eine Sehnsucht nach Größerem haben.
Auch viele visuelle Bits wecken leichte Erinnerungen an die Sam Raimi-Verfilmungen. Vielleicht ist man hie und da etwas knapp an der Grenze zum Kitsch (vor allem mit den Voice-Overs zu Beginn und Ende), aber insgesamt gesehen hat es in meinen Augen funktioniert. Es ist auch etwas deutlich anderes als die „Smallvilles“ und „Point Pleasants“ dieses Genres, auch wenn die Serie statt auf NBC auch durchaus in das WB/CW-Lineup gepasst hätte. Produzent und Regisseur David Semel ist ein alter Fuchs im Teen-Genre (u.a. „Roswell“, „Beverly Hills 90210“, „Buffy“, „Angel“, „Party of Five“ und „Dawson’s Creek“) und das spürt man insbesondere beim Segment der Teenagerin mit Superkräften, aber auch der Part des japanischen „Star Trek“-Fans ist sehr sympathisch und echt inszeniert.
Ähnlich wie bei „Lost“ baut die Serie auf ein größeres Schauspieler-Ensemble auf. Es gibt zwar eine zentrale „Anker“-Figur, bei der wohl alle Fäden zusammenlaufen werden, doch der Cast ist eigentlich gleichberechtigt. Das macht die Geschichte ab einer gewissen Größe natürlich unübersichtlich und für den Gelegenheitszuschauer unattraktiv. Das Casting wiederum kann als durchaus gelungen bezeichnet werden — selbst Milo Ventimiglia, der mir eigentlich immer gewisse Magenschmerzen verursacht, gefällt mir recht gut. Und auch 10 Jahre nach „Profit“ freue ich mich immer noch, wenn ich Adrian Pasdar sehe.
Fazit: Man kann nur hoffen, dass die Serie einen genügend starken übergreifenden Arc entwickelt, um nicht in ein laues „Freak of the Week“-Serial zu mutieren (siehe „The 4400“). Doch die Pilotepisode verspricht eine interessante Zukunft — sie ist ungewöhnlich, aber nicht over-the-top; Sie ist mysteriös mit einem gewissen Gänsehaut-Faktor, aber sie behält einen Bezug zur Realität; Sie zeichnet Konflikte, aber ohne plumpe Genre-Klischees (und vor allem ohne Luftröhrenschnitte). Und sie ist handwerklich sauber auf Film gebannt — sie macht Lust auf mehr. Insbesondere Comic-Fans dürften (und sollten) bei dieser Serie hellhörig werden. Ob die Show jedoch genügend begeisterte Zuschauer ausserhalb der Comicfans-Fraktion finden kann, bleibt das große Fragezeichen — und wird wohl auch von NBCs Promotätigkeiten abhängen.