Cop-Shows 2010 im Schnelldurchgang
Freitag, 22. Oktober, 2010Im Angesicht des Verbrechens
Zunächst mal noch der Hinweis auf eine deutsche(!) Krimi-Serie, die heute (Fr, 22.10.) mit einer Doppelfolge um 21:45 Uhr in der ARD startet (und bereits vor einiger Zeit auf arte lief): Die zehnteilige Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ habe ich selbst noch nicht gesehen, aber die Kritiken sind für eine Produktion „Made in Germany“ geradezu untypisch überschwenglich positiv. Daher habe ich einen Timer programmiert. Der WDR und BR haben richtig viel Geld (10 Mio Euro) und Zeit (2 Jahre) investiert und herausgekommen ist laut Kritikermeinung eine der besten TV-Produktionen der letzten Jahre. Was mal wieder eine alte These bestätigen würde: Das einzige, was die Deutschen im TV gut können, sind Comedies und Krimis. Oder beides auf einmal („Mord mit Aussicht“). Aber immerhin, gutes TV geht also auch in Deutschland — wenn man nur will.
Nun aber zum eigentlichen Thema: Damit es der Vollständigkeit halber abgehakt ist, hier meine Eindrücke einer Auswahl der neuen Cop-Shows der US-Networks. Das ist eigentlich nicht mein favorisiertes Genre, aber dieses Jahr hatte ich einfach noch mal Lust, zu schauen, was so an Prozedurals dabei ist. Da breche ich auch ohne schlechtes Gewissen mit meiner Regel, immer mindestens zwei Episoden einer Serie für eine abschliessende Bewertung heranzuziehen.
Chase
Gleich die ersten Minuten zeigen genau, was die Show ausmacht: Toughe weibliche Polizistin jagt einen Gangster/Stuntman durch einen wilden Hindernis-Parcour. Natürlich ist sie smarter und fitter als all ihre männlichen Kollegen und kann auch einiges einstecken, bevor sie den Bösewicht schliesslich im Alleingang kaltstellt. Sie ist aber nur Teil einer Gruppe von US Marshals, die auf der Jagd nach Flüchtigen sind. Der Rest ist typische Action-Cop-Formel. Inklusive eines grünen Newcomers, dem man erst mal alles erklären muss (Hallo Holzhammer-Exposition) und durch dumme Fehler die Story voran bringt. Ansonsten wird viel gerannt und gesprungen … „The Chase“ eben. Alles nach Jerry-Bruckheimer-Formel 08/15. Schwache Quoten, scheint aber erstmal zu überleben.
Hawaii Five-0
Den Theme-Song dieses Remakes kennt wohl jeder, der in den 70ern oder 80ern aufgewachsen ist. Die Neuauflage fällt in die Kategorie des adrenalingetränkten und bleihaltigen TV-Schnellschuss, aufgepeppt mit ordentlich Wumms und Action-Drama sowie CGI-Effekten (in Hawaii regnets auch mal vom wolkenfreien Himmel). Schnell geschnitten dürfen coole guys und girls alle Regeln brechen, um die Gangster hinter Schloss und Riegel zu bringen. Dazu durfte Daniel Dae Kim gleich in Hawaii bleiben, Grace Park darf wie zu besten Cylon-Zeiten so richtig auf den Putz hauen und Alex O’Loughlin bekommt seine zwanzigste neue Show in zwei Jahren (oder so). In der Pilotepisode darf „Spike“ (schon wieder) den Bösen spielen. Wirklich nur was für Genre-Fans, die gerne das gleiche Rezept im xten Aufguss sehen wollen. Exzellente Quoten soweit.
Nikita
Dass das eher weiblich orientierte CW mit einer Crime-/Action-Serie aufwartet, kommt nur auf den ersten Blick überraschend. Denn diese Re-Interpretation des alten „Nikita“-Konzepts setzt den Schwerpunkt vor allem auf junge, attraktive Kämpfernaturen. Da kommt es dann auch nicht von ungefähr, dass Liebe und Rache wie in jeder Standard-Soap Hauptmotivationsgründe sind. So ist Nikita dann wie erwartet auch eher eine Action-Soap, die irgendwie starke Erinnerungen an „Dark Angel“ weckt. Für CW-Verhältnisse akzeptable Quoten.
Detroit 1-8-7
Auch diese Serie verdient sich das Prädikat „just another crime show“ mit Auszeichnung. Hier stehen verschiedene Abteilungen von Ermittlern in Detroit im Vordergrund, die an vermeintlich unterschiedlichen Fällen arbeiten. Das ist kombiniert mit einem angedeuteten Documentary-Stil, der die Sache etwas seriöser und „echter“ darstellen soll. Ein paar ungewöhnliche Charaktere (die natürlich mit unorthodoxen Mehoden ans Ziel kommen), ein flotter Soundtrack und ein paar plumpe Witze machen die Show zu einer durchaus passablen Cop-Show — aber am Ende dann doch nur „one of many“. Miese Quoten.
Blue Bloods
Hat mir stilistisch noch am besten gefallen. Eine ganze Familie steht seit Generationen im Dienste der New Yorker Polizei: Vom einfachen Streifenpolizisten bis hin zum Commissioner, aber auch eine Staatsanwältin. Das ist keine hochgestylte Action-Show, sondern mehr ein „dreckiger“ Blick auf alltägliche Polizeiarbeit. Die Pilot-Episode versucht etwas viel Handlung und zuviele Charaktere in 42 Minuten zu quetschen, so dass alles zu gehetzt und der „Case of the week“ viel zu einfach gelöst wirkt. Auch die „böse dunkle“ Verschwörung als Serien-Arc ist nicht mein Ding. Aber insgesamt machte die Episode hinsichtlich Regie und Kameraarbeit sowie Darstellerleistung einen guten Eindruck. Schwache Quoten.
„Outlaw“ und „Undercovers“ spare ich mir, die sind schon so gut wie weg vom Fenster.
Eines fällt gleich beim ersten Anschauen auf: „Raising Hope“ könnte prinzipiell im selben Strassenblock wie „My Name is Earl“ spielen. Ähnliches soziales Umfeld, gleicher ruppiger Umgangston, vergleichbare Charakterzeichnungen. Und wenn man dann bei den Credits den Namen des „Earl“-Erfinders „Gregory Thomas Garcia“ entdeckt, hat man den erklärenden „Na, dann ist’s ja klar“-Moment. In den Hauptrollen sind unter anderem Cloris Leachman als köstlich senile (Ur-)Oma aka „Maw Maw“, Martha Plimpton („Goonies“ *) als frischgebackene Oma und Garret Dillahunt („Terminator: TSCC“) als neuer Grossvater zu sehen. Eigentlich muss man wirklich zum Stil der Show nicht mehr schreiben: Wer „Earl“ kennt, der kann sich auch schon den Grundton von „Raising Hope“ vorstellen, vielleicht mit etwas mehr Kuschel- und Familiengefühl. Insofern spare ich mir weitere Details und komme gleich zum…
Okay, ist natürlich keine wirkliche Spin-Off-Produktion, aber Will Arnett spielt quasi den gleichen weltfremden Charaktertyp wie in AD, produziert auch noch gemeinsam mit AD-Alumni Mitchell Hurwitz. David Cross ist ferner einer der ersten Gaststars und bringt auch unter anderem gleich eine „Blue Man Group“-Anspielung unter. Zu guter Letzt (und das ist wohl auch das Wichtigste) ähnelt auch noch der abstruse-anarchische Humorstil von „Running Wilde“ dem seines grossen Bruders im Geiste. Ausserdem läuft die Show auch wieder auf Fox (*hrrarrg*).
Das bisherige Portfolio von Greg Berlanti und Jon Harmon Feldman lässt eigentlich mit Produktionen wie „Eli Stone“, „Roswell“ und „Tru Calling“ durchaus einiges an Erfahrung mit derartigem „übersinnlich“ angehauchtem Familiendrama erwarten. Genau das scheinen die beiden in „No Ordinary Family“ auch voll auszuspielen: Ihre Routine. Das Endresultat ist zwar hübsche 20-Uhr-kompatible Familienunterhaltung, aber geradezu entsetzlich eintönig in ihrer flachen, klischeeüberladenen Abarbeitung des Kochrezepts für Fernsehserien. Es ist immer ein schlechtes Zeichen, wenn mich eine Serie und ihre Charaktere dermaßen gering interessieren, dass ich an allen Ecken und Enden die „Matrix“ oder das strukturelle Grundgerüst der Episode wahrnehme: Erster Akt, Vorstellung der Hauptfiguren, innere Motivation, erster Anriss der (oberflächlichen) Konflikte, gerne auch mit Voice-Over. Check, check, check. Eine Pilot-Episode genau nach „Fahrplan“. Dazu dazu richtig pöse Bösewichte direkt aus dem
Entsprechend argwöhnisch war ich bei der Ankündigung der neuen Spätsommer-Serie „Melissa and Joey“ von ABC Family. Wieder mal der Versuch mit alternden TV-Persönlichkeiten aus vergessenen Zeiten und einem tausendfach erprobten Konzept zumindest einen soliden No-Risk-Hit auf die Beine zu stellen. Der Aufhänger dieses klassischen Sitcom-Rezepts ist immerhin schon so simpel, wie es das Sitcom-Kochbuch nun mal verlangt: Erfolgreiche Karrierefrau stellt eine männliche Nanny ein, um ihre elternlosen Nichte und Neffen zu betreuen. Natürlich hat das ungleiche Paar sofort unverkennbare Chemie, was aber — wie in der Serien-Parallelwelt üblich — die beiden Protagonisten mindestens bis zum Season-Finale erstmal nicht wahrnehmen dürfen. Also nur eine leicht modifizierte Version früherer Erfolge wie „The Nanny“ oder dem Tony-Danza-Klassiker „Who’s the Boss?“ — beides zwar „nice to watch“-Shows, aber nicht gerade Aspiranten auf das Attribut „Lieblingsserie“ in meiner kleinen Popkultur-Welt.
Im Mittelpunkt von „Wilder Westen inklusive“ steht Bruno Küssling (Peter Striebeck), ein geschiedener TV-Wetteransager aus der Hochzeit des öffentlich-rechtlichen TV, viele Jahre vor Kachelmann & Co. Er trifft im regnerischen Hamburg seinen alten Schulfreund Manfred (Manfred Zapatka) wieder, der eine große USA-Reise plant. Manfred ist ein typischer Lebemann, der seine Ehefrau ohne große Gewissensbisse mit einer attraktiven Geliebten (Gudrun Gabriel als Ingeborg) betrügt. Das imponiert dem frustrierten und hoffnungslosen Bruno mächtig. Denn der hatte nach seiner Scheidung fast schon resigniert und blickt eifersüchtig auf das vermeintlich glückliche Familienleben seiner Ex-Frau Marianne (Krystyna Janda) und deren Lebensgefährten. Bei Marianne lebt auch die gemeinsame Teenage-Tochter Carolin (Katja Studt). Um die Bindung zu seiner Tochter wieder aufzufrischen kommt Bruno das Angebot seines Freundes nur recht: Einfach samt Tochter auf die große USA-Reise mitkommen und als cooler Dad dastehen. Doch natürlich läuft alles anders als geplant — sein alter Freund muss krankheitsbedingt absagen und schließlich endet Bruno irgendwie mit Tochter und Ex-Frau(!) sowie mit der Geliebten seines Schulfreundes in den USA. In direkter Nähe zu einer Pauschalreisetruppe voller deutscher Touristen-Stereotypen. Und dann geht das Chaos erst richtig los.
„Wilder Westen inklusive“ war Dieter Wedels Aufarbeitung der typisch deutschen Tourismus-Klischees in den 1980er Jahren — ein Jahrzehnt, in denen es den Deutschen so gut ging wie lange nicht mehr und Fernreisen in die weite Welt endgültig etwas Alltägliches wurden. Gleichzeitig bemüht er sich um eine sozialkritische Aufarbeitung der vielschichtigen und kontrastreichen Verhältnisse in den USA in den Reagan-Jahren. Aus heutige Sicht wirken diese gesellschaftskritischen Einschübe oftmals etwas ungelenk und sperrig — in gewisser Weise trifft das auf viele Teile des Mehrteilers zu, zwanzig Jahre gehen nun mal auch an TV-Produktionen nicht ohne Spuren vorbei.
So schien es fast unvermeidlich, dass auch sie früher oder später wieder den Weg zurück von der Leinwand auf den kleinen Bildschirm finden würde, weil dort heutzutage oftmals die besseren (in diesem Kontext: künstlerisch interessanteren) Angebote vorliegen.
Aber der Film profitiert nicht nur von Claires beeindruckender Performance, auch die Nebenrollen sind mit Julia Ormond als engagierte Mutter und Catherine O’Hara als sorgsame Tante exzellent besetzt. Richtig gelungen ist aber auch die visuelle Repräsentation von Temples Autismus. Mit behutsam und geschickt eingesetzten visuellen Effekten wird Autismus auch dem Zuschauer ohne thematisch tiefgehende Vorkenntnisse verständlich veranschaulicht. Man beginnt zu verstehen, wie Menschen mit Autismus die Welt erfahren, ohne dabei von einem überdimensionierten CGI-Effekt erschlagen zu werden. Dieser Film könnte Pflichtprogramm für alle von Autismus indirekt oder direkt Betroffenen werden. Aber auch „Unbeteiligte“ dürften von der Qualität der Darstellung der Thematik fasziniert sein.