Normalerweise weiss ich nach den 40 Minuten einer Pilot-Episode recht deutlich, ob das eine „Thumbs Up“ oder „Thumbs Down“ Show ist. Die „Diaries“ hinterlassen jedoch einen zwiespältigen Eindruck. Irgendwo versteckt sich in dieser Mischung aus „Felicity“ und „Melrose Place“ eine gute Show, aber sie ist tief begraben unter unter einem aufdringlichen, pseudo-provokativem Konzept. (LOL, ich seh gerade, der futoncritic hat die gleiche Versteckt/Begraben Formulierung benutzt)
Im Mittelpunkt der „Bedford Diaries“ stehen die Teilnehmer eines beliebten Kurses an der fiktiven Bedford Universität in New York. Der Kurs „Human Behavior and Sexuality“ wird alljährlich nur für wenige auserwählte Studenten angeboten. Dabei werden die Kursteilnehmer mit Videokameras ausgestattet und sollen in Videotagebüchern über ihr Sexualleben reflektieren. Der etwas exzentrische Professor Macklin baut in dem Seminar auf ungewöhnliche didaktische Methoden — mit der Realität an US Colleges hat sowas wohl eher weniger gemein, aber so stellen sich wohl alle High-School-Abgänger das College-Leben in ihren Träumen vor.
Die 12 Studenten in dem Kurs sind ähnlich dem „The Breakfast Club“-Prinzip vollkommen unterschiedliche Charaktere: Unter anderem gibt es die Schöne, die Kluge, der arrogante Reiche, der „Nice Guy“, die Schlampe, die Jungfrau, die Selbstmordkandidatin und der Typ aus einfachen Verhältnissen. Nun wirft man die alle zusammen und lässt sie aufeinander los — immer unter dem Thema „Sex“. So werden Dramen gemacht.
Wer bis hierher einen eher unzufriedenen Unterton in meinen Beschreibungen ausgemacht hat, der hat nicht ganz unrecht. Das Grundprinzip, das Fundament der Show stinkt. Schon nach den ersten fünf Minuten hat man als Zuschauer erst mal genug von dem Begriff „Sex“. Nicht weil irgendein imaginärer „Züchtigkeits-Alarm“ auf etwaige freizügige Sex-Szenen anspringen würde (es gibt keine), nein, es ist die ausschliessliche Fokussierung der Show auf das Thema Sex, die sich unglaublich schnell abnutzt. Doch es gibt kein Erbarmen, man wird weiterhin mit selbst-analytischem Sex-Talk eingedeckt. Warum müssen sich die Charaktere so über das Thema „Sex“ definieren?
Aber es gibt auch einiges, das mich daran hindert, diesen Eintrag zu einem kompletten Verriss werden zu lassen. Es sind viele kleine Szenen, die ganzen B-Stories, die verblüffend guten Jung-Schauspieler und der Aufbau der Charaktere und ihre Beziehungen untereinander, die mich aufhorchen liessen. Autor Tom Fontana zeichnete bereits für „Homicide: Life on the Street“, „Oz“ und „The Jury“ verantwortlich und dessen Qualität blitzt auch immer wieder in den Subplots durch. In den Nebenschauplätzen liegen dann auch die Stärken des Drehbuchs, weil es interessante Charaktere aufzeigt. Hie und da schiesst die Show in die Seichtigkeit (v.a. bei den Video-Tagebüchern) oder in die sinnleere Lächerlichkeit (die „historische“ Demo am Schluss). Penn Badgley („The Mountain“), Ernest Waddell („As the World Turns“) sowie die Neuentdeckungen Victoria Cartagena und Corri English liefern sehr gute Leistungen ab und holen einiges aus den Charakteren heraus – im Grunde machen vor allem die Schauspieler Lust auf mehr. Milo Ventimiglia, der im Prinzip den gleichen Charakter wie in „Gilmore Girls“ spielt, ist wie üblich gewöhnungsbedürftig, fügt sich aber ganz gut in das Ensemble ein.
Die Show hat also Potential, aber bitte jenseits dieses Sex-Seminars. So ein Seminar wäre vielleicht ein gutes Thema für einen kleinen Stroy-Arc, aber nicht Dreh-und Angelpunkt einer kompletten Serie. Insofern dürfte die Serie vielleicht ab Staffel 2 noch mal einen Blick wert sein, wenn das Seminar vorbei ist :). Ansonsten sollte man auf jeden Fall mal ein Auge auf den weiteren Karriereweg von Victoria Cartagena haben.
„The Bedford Diaries“ ist eine HBO Independent Produktion und wird ab der Midseason 2006 auf WB ausgestrahlt – 12 Episoden (plus Pilot) wurden bestellt.