Den TV-Serien im Web-Trend verfolge ich nun schon einigen Jahren und ich muss zugeben, ich hatte gedacht, dass wir im Jahre 2013 schon ganz andere Vermarktungs- und Geschäftsmodelle für webbasierte Online-Serien haben als 2008. Aber das Netz hat sich in dieser Hinsicht langsamer entwickelt als (von mir) gedacht. Kaum zu glauben, aber quarterlife und Dr. Horrible sind nun schon fast 5 Jahre her und es fehlt auch weiterhin ein Zeichen, dass Web-Produktionen in nächster Zeit ernsthafte Konkurrenz für das altmodische TV-Verteiler-Modell sein würden — zumindest auf dem Massenmarkt.
Netflix hat immerhin Staub aufgewirbelt, als es ankündigte, neue Episoden von „Arrested Development“ zu produzieren und (auch) online zu vertreiben (alle 13 Episoden kommen im Mai 2013). Hulu produziert nun auch eigenen Content. Zumindest als Vertriebsweg läuft das Web in Form von Video-Downloads auf Netflix, iTunes, Amazon & Co. dem klassischen DVD-Verleih/-Versand immerhin langsam den Rang ab.
Den Nischenmarkt hingegen haben kleine Webserien insbesondere in den letzten beiden Jahren still und leise erobert.
Den Titel „Königin der Web-Serien“ hat sich dabei das unternehmungslustige Multi-Talent Felicia Day erobert. Ursprünglich nur bekannt als „die Rothaarige aus der finalen Buffy-Staffel“ hat sie inzwischen ein kleines Webvideo-Imperium namens Geek and Sundry auf der YouTube-Plattform aufgebaut.
Doch begonnen hatte alles mit einem Script für eine TV-Serie, das Felicia wie in dem TV-Business üblich über ihren Agenten an Studios zu platzieren versuchte. Doch kein Studio biss an und so nahm sie es eines Tages mit Hilfe aus ihrer Improv-Klasse einfach selbst in die Hand: Eine Home-VideoCam, ein paar Wohnzimmer und Ersparnisse sowie ein YouTube-Account genügten 2007 für die Produktion der ersten drei Episoden von „The Guild„.
Die Serie hat einen leichten autobiographischen Touch: Es geht um eine Gruppe von Online-Spielern einer World of Warcraft-ähnlichen Spielwelt. Feliciy Day war selbst jahrelang eine eingefleischte „World of Warcraft“-Spielerin und liess sich von ihren Erlebnissen in der virtuellen Welt inspirieren. Die Serie gewann schrittweise Fans und als die Show eines Tages auf der YouTube-Startseite beworben wurde, flossen Kleinstspenden von Fans zur Produktion weiterer Folgen in Strömen.
Inzwischen sind mehr als fünf Jahre vergangen, „The Guild“ hat sechs Staffeln mit jeweils etwa 10 Episoden zu je knapp 10 Minuten abgeschlossen und ist mittlerweile ein richtig erfolgreiches Projekt, das Felicia Day auch dazu animierte, Musikvideos, Comics und weitere YouTube-Webserien-Produktionen in Angriff zu nehmen. Die Serie hat dabei ein erstaunlichen Reifeprozess durchgemacht, selten kann man so deutlich sehen, wie eine Produktion von Episode zu Episode inhaltlich, handwerklich und vermarktungstechnisch professioneller wurde. „The Guild“ hat die HomeVideoCam-Zeiten längst hinter sich gelassen und ist inzwischen eine sauber produzierte Profi-Show. Finanziert wird die Unternehmung dabei zeitweise durch eine (mittlerweile aufgekündigte) Kooperation mit Microsoft, Product Placement, DVD-Verkäufen und sonstigen Werbeeinnahmen.
Inhaltlich ist die Serie wohl nicht nur für Gamer unterhaltsam. Die Charaktere sind gutmütig überzeichnet und nehmen die Online-Gamer-Welt mit einem sympathischen Augenzwinkern auf die Schippe, ohne sich auf billigen Nerd-Witzen und Klischees auszuruhen. Die Show ist sicherlich vom Prinzip her eine einfache Comedy, die wohl nie im Leben auf einem etablierten TV-Network eine ernsthafte Chance gehabt hätte. Doch Felicia Day gelingt in der Personalunion von Hauptdarstellerin, Autorin und Produzentin ein liebenswertes Porträt einer schrägen Truppe und ihrer zuweilen bizarren Abenteuer. Trotz der zunehmend professionelleren Inszenierung merkt man natürlich immer noch das Mini-Budget an allen Ecken und Enden — der Vergleich mit einer „echten“ TV-Produktion wäre also schon nicht nur angesichts der kurzen Laufzeit unangebracht und unfair. Felicia Day bietet immer wieder sympathische Momente der Charaktere auf, die andere Schwächen wettmachen. Dazu gesellen sich bekannte Gesichter in Gastrollen, die einen kleinen Oha-Faktor liefern (Wil Wheaton, Simon Helberg, Zachary Levi, Nathan Fillion,… nur Joss Whedon fehlt noch ;-). Vielleicht wird „The Guild“ nicht als hochqualitative Serienproduktion in die Geschichtsbücher eingehen, aber sicherlich als eine der ersten Produktionen, die das Web-Kurzformat als seriöse Erzählform etablierte und hoffentlich den Weg für zahlreiche Nachfolger ebnete.
Die sechste Staffel lässt durch ein „book ends„-Finale erahnen, dass dies durchaus das Ende von „The Guild“ sein könnte, aber die Vermutung gab es auch schon bei früheren Staffeln. Ich würde jedenfalls auch in eine siebte Staffel reinschauen … und bis dahin vertreibe ich mir halt die Zeit mit anderen „Geek & Sundry“-Produktionen 😉
The Guild online: http://www.watchtheguild.com/
Geek & Sundry YouTube: https://www.youtube.com/user/geekandsundry
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