Veronica Mars: Zuviel auf einmal
Donnerstag, 11. Mai, 2006Irgendwie war das nicht mein Ding. Die erste Staffel hatte ein furioses Finale, die zweite Staffel versuchte krampfhaft dem noch eines oben drauf zu setzen — und scheiterte. „Mehr“ ist nicht immer gleichzusetzen mit „gut“. Der Stoff, der in den 41 Minuten des Seasonfinales abgehandelt wurde, hätte locker für zwei Episoden gereicht. Stattdessen hält man den Zuschauer über Wochen hin (aber das immerhin auf hohem Niveau) und schlägt ihm dann in der letzten Episode der Saison ein dickes Paket an Handlung um die Ohren. Und das in einigen Fällen leider auch nicht mal sonderlich originell.
Schon mitten in der Staffel blickte ich angesichts der zahlreichen Kriegsschauplätze nicht mehr 100% durch. Die üblichen Sendepausen im Ausstrahlungsrythmus taten ihr Übriges: man vergass die Hälfte der Story und die Verknüpfungen zwischen den Charakteren gerieten zu einem dichten Gestrüpp aus Verwicklungen und Zuschauerfallen, für die man schon ein Notizbuch brauchte, um noch den Überblick zu behalten.
Und anstatt das Finale dann mit genügend „Anlauf“ in Angriff zu nehmen, quetscht man ein ganzes Bündel an Auflösungen in eine Episode und dazu dann noch Cliffhanger obendrauf.
SPOILER voraus.
Ich hätte das Finale in zwei Episoden geteilt, meinetwegen an der Stelle trennen, wenn Veronica dieses „Not Pictured“ entdeckt. Das anschließende „Veronica in Not“ war der Versuch, die gelungene dramatische und packende Eskalation vom Season 1 Finale zu reproduzieren. Aber irgendwie stimmte der Ton nicht. Obwohl sorgsam von den Autoren in den letzten zwei Jahren aufgebaut, war Beaver nun mal kein Aaron Echolls. Und dass er dann auch noch (typisch Krimi-Show) ein komplettes Geständnis ablegt während er siegessicher die Heldin bedroht? Der arrogante Mörder aus Season 1, Aaron Echolls, der auch noch mal letzte Zweifel an seiner Schuld beseitigt, bevor er dann von „CW“ ermordet wird (eine der wenigen echten „Teen-Noir“ out-of-the-blue Überraschungs-Volltreffer, als man erfährt wer da die Hände im Spiel hatte).
Und warum wärmt man nun noch mal die Vergewaltigung auf, die erst keine war und nun doch, nur noch durch jemanden anderes? Gosh, too much.
Was noch alles reingepackt wurde: Wallace & Jackie — die natürlich auch noch eine düstere Wahrheit zu enthüllen hat; Weevil, der kurz vor der Graduation verhaftet wird; der pädophile Bürgermeister wird am Klo von Papa Mars gestellt – ohne jegliche Komplikation. Alleine damit hätte man schon eine ganze Episode füllen können.
Und dann der „Did we kill Papa Mars — No, we didn’t„-Moment. Ich weiss nicht, wie’s euch ging, aber ich war enttäuscht. Wirklich nichts gegen Enrico Colantoni aka Keith Mars, er ist einer meiner Lieblingscharaktere der Show und ich hätte die Macher wohl auch verflucht, wenn sie ihn wirklich gekillt hätten. Aber mit sowas spielt man nicht. Denn ich hatte schon gedacht „Ui, sind die etwa echt so mutig und killen einen der Hauptdarsteller“ (Buffy Deja Vu) … und man beginnt automatisch über die Bedeutung dieses Schachzugs für Season 3 nachzudenken… aber neh, Pustekuchen. Was wiederum leider schon früh klar wird, als Veronica bei ihrem Vater anruft, aber niemanden erreicht. Der erfahrene TVjunkie „vermisst“ in solchem Moment quasi automatisch einen Schnitt zu Papa Mars, ahnungslos im Flugzeug mit Kopfhörern, der sein Handy nicht bemerkt. Und alleine durch diesen fehlenden Umschnitt ist klar, dass Keith Mars noch lange nicht aus der Serie geschrieben wird.
Aber vielleicht überbewerte ich auch nur Details. Denn es gab sicherlich zahlreiche sehenswerte Momente. Da ist zum einen Veronicas Graduation: Alle Schüler klatschen, dann ihr Tipp an den Rektor. Veronicas „Alternate Reality“-Flashbacks: Sehr gelungen. Die arme „Mac“ am Boden zerstört nach der Nacht mit Beaver. Die Nummer mit „Vinnie Van Lowe“, der im Knast auf die Hilfe von Keith angewiesen ist.
Die Show muss nun einen Schnitt machen. Mit „gefühlter“ 90% Wahrscheinlichkeit gibt’s im Herbst eine neue Season auf dem CW Network und wird dabei wohl wie eine komplett neue Serie einen Großteil frischer Zuschauer gleich in der ersten Episode gewinnen müssen. Rob Thomas hat dementsprechend ja schon angekündigt, dass er alte Zöpfe abschneiden und einige neue Darsteller in die Show bringen will. Außerdem soll es keinen globalen Arc mehr geben sondern eventuell mehrere kleinere (der Missetäter aus der College-Episode dieses Jahr läuft ja noch frei rum). Das dürfte auch das Risiko eines erneuten „Monsterfinales“ wie dieses Jahr senken.
Oft wird Veroncia Mars ja mit Buffy verglichen. Doch Buffy hat Vroni einen wertvollen Trumpf voraus: Sie konnte beliebig eine eigene Realität schaffen, sich neu erfinden und auch mal riskante Storypfade beschreiten: Eine „The Body“, „Once More With Feeling“ oder „The Hush“ Episode in „Veronica Mars“ liesse sich nur schwer bewerkstelligen. Aber irgendwie muss die Show neue Akzente setzen und sich nicht nur auf alten Lorbeeren ausruhen. Sonst gibt es bald ein paar Haie zu sehen…