Die vierte Staffel des Doctors der „Neuzeit“ war erneut sehr uneinheitlich. Es begann recht gut, ließ dann stark nach und raffte sich gegen Ende wieder zu einem finale furioso auf. Aber allmählich werde ich so mancher immer wieder verwendeten Komponente im „Who“-Universum überdrüssig.
Gehen wir doch mal die einzelnen Episoden dieser Staffel durch:
„Partners in Crime“: Das Fett der Menschen macht sich selbständig. In meinen Augen eine souveräne Staffel-Eröffnung, vor allem wegen den ungewöhnlichen „bad guys“: Die Adipose (Fettzellen) waren wohl die goldigsten „Monster“ seit den Tribbels und den Gremlins. Die erneute Begegnung zwischen dem Doctor und Donna war ebenfalls ein amüsantes Highlight. Note 2-
„The Fires of Pompeii“: Sollen der Doctor und Donna in die Geschichte eingreifen? Eigentlich eine immer wieder interessante Gewissensfrage in Zeitreisen-Serien, aber die Ausführung in dieser „Who“-Episode war eher „underwhelming“. Ansonsten einfach zuviel schlechte Schauspielerei (besonders bei den Nebendarstellern) und viele theatralische und hektische „Dialog“-Szenen zwischen Donna und dem Doctor, die höchstens einen Louis de Funès erfreut hätten. Der Scherz um die automatischen Übersetzungfähigkeiten der TARDIS ragte aber positiv heraus. Note 3
„Planet of the Ood“: Der Doctor rettet die Ood aus der Sklaverei. Diese Episode behandelte ohne Frage auch ein brisantes Thema, aber der Storyablauf wirkte über weite Strecken wie so manche typische „Star Trek:TOS“-Folge: Alles sieht zufrieden aus, dann stolpern wir über eine fundamentale Grausamkeit hinter den Kulissen und die Helden müssen den Tag retten. Dass offenbar auch futuristische Gebäude immer wie abgewrackte britische Fabriken aussehen, macht die Sache nicht viel besser. Note 3+
„The Sontaran Stratagem“ & „The Poison Sky“: Insbesondere der zweite Teil dieser Doppelfolge war eine Qual. Die Rückkehr von Martha Jones war alles andere als ein „Must-See“ und all jenes militärisches Hin-und-Her dieser Episode war zum Vergessen. Ganz zu schweigen von der mauen Charakterentwicklung. Da musste man schon nach den Details suchen, um etwas Positives zu finden: Der erneute „versteckte“ Auftritt von Rose Tyler war eine nette „scary“ Überraschung und auch die Special Effects waren durchaus sehenswert. Aber ansonsten einfach zuviel Jammerei und aufgeblasenes Drama. Note 3
„The Doctor’s Daughter“: Eine reichlich uneinheitliche Episode, wieder mit viel Rennerei und Schnitzeljagd-Anleihen. Aber die „Tochter“ des Doctors brachte immerhin Schwung und Abwechslung in die Sache (und die Dialoge) als der Doctor diverse Male sprachlos von den Entwicklungen überrascht wurde. Da angeblich nur auf Drängen von Steven Moffat noch der Epilog mit der überlebenden Tochter angehängt wurde, werden wir vermutlich noch mehr von ihr sehen — in einigen Jahren. Note 2-
„The Unicorn and the Wasp“: Die alljährliche Konfrontation des Doctors mit einem berühmten britischen Schriftsteller, in diesem Fall einer Schriftstellerin: Agatha Christie. Abgesehen von der hervorragenden Pantomime-Einlage des Doctors allerdings eine reichlich seltsame Angelegenheit. (and yet another twist) Note 3-
„Silence in the Library“ & „Forest of the Dead“: Dazu hatte ich ja schon etwas geschrieben, dem hab ich nichts hinzuzufügen. Einziger „Schatten“ auf dieser Episode ist das wie üblich etwas zu glatt-glückliche Ende. Note 1-
„Midnight“: Ein Beispiel dafür, dass „Doctor Who“ prinzipiell auch ohne großartige Kulissen auskommen kann und auch als 45-minütige Theaterproduktion perfekt funktionieren kann. Ich fand’s hochspannend auch wenn die „dummen“ agitatorischen Charaktere etwas zu eindimensional gezeichnet waren. Dennoch teilweise sehr beklemmend und positiv-frustrierend. Note 2+
„Turn Left“: Allmählich nähern wir uns dem Ende und die Serie nimmt wieder lang zurückliegende Storyfäden auf, die zu einem eindrucksvollen Gesamtkunstwerk verknüpft werden. Wenn man sich nun im Verlauf der Staffel an den manchmal etwas „übertriebenen“ Schauspiel-Stil von Catherine Tate gewöhnt hat, entfaltet diese Story eine exzellente Dramatik rund um die vermeintlich so unbedeutende Donna. Im „Doctor Who“-Universum kann jeder ein Held sein. Diese Folge zeigt insbesondere im Kontrast zum Stand-Alone-Charakter von der vorausgegangenen Episode „Midnight“ welch breites Spektrum an verschiedenen Storytypen in dieser Serie erfolgreich erzählt werden können und einen Teil des Charmes dieser Serie ausmacht. Note 2+
„The Stolen Earth“ & „Journey’s End“: Ein furioses Finale der ersten vier Jahre des neuen „Doctor Who“ und wohl auch das Anfang vom Ende der Ära „Russell T. Davies“. Nicht weniger als das gesamte Universum und die „Realität“ muss gerettet werden. Wirklich gelungen, wie viele kleine (scheinbar absichtlich gestreute) Puzzlestückchen der letzten Jahre wieder aufgelesen wurden und zu einem überraschenden Gesamtbild zusammengesetzt wurde.
Wie üblich bei „Who“ lief vieles etwas arg theatralisch und „over-acted“ ab, aber fast alle Figuren aus den verschiedenen „Who“-Spin-Offs in einem gigantischen Crossover wenigstens halbwegs sinnvoll zusammenzubringen ist ja auch schon mal eine Leistung. Aber stellenweise war’s mir doch des Guten etwas zuviel. Es war durchaus geschickt, auf das lang vergessene Trivia-Bit zurückzugreifen, dass die TARDIS ursprünglich als Raumschiff für sechs Piloten gedacht war (daher die sechs Segmente am Steuerpult) und somit erst sechs „Kapitäne“ dem Vehikel die volle Leistungsfähigkeit entlocken können. Aber noch selten wirkte diese Art der „den Nippel durch die Lasche ziehen“-Steuerung so lächerlich wie in diesen finalen Szenen. Wer Probleme mit suspension of disbelief hat, ist bei Doctor Who eh falsch aufgehoben, aber das sah diesmal auch noch richtig dämlich aus. (Aus irgendeinem Grund muss ich bei solchen Szenen immer an „Blinkenlights“ denken — Gefingerpoken, Blowenfusen, Poppencorken und so.)
Aber das soll eigentlich kein Verriss werden, denn wer sich nun schon im vierten Jahr auf diese Serie einlässt, der kennt (und erwartet) diese bizarr-kitschigen Momente in gewisser Weise. Und die Doppelfolge hatte ja auch viele schöne emotionale Momente, die besten natürlich in Form des nun wieder ganz allein gelassenen Doctors, den David Tennant wie üblich mit Inbrunst darstellt. Und schließlich gab es sogar je nach Zählweise bis zu drei Doctors, ein Happy-End mit Rose und dem Doctor, zwei halbe Regnerationen, viele Explosionen und Special Effects, dazu deutschsprechende Daleks (für Briten sicherlich die ultimative Verkörperung des Bösen) und Martha aka „Agentin funf sehs sehs sieben eins, von der medisinishen Abteilung“ (letztere mit überraschend guter Aussprache im Vergleich zum ersten Read-Through, das in „Confidential“ gezeigt wurde). Ein großes Spektakel, das auch für „Who“-Verhältnisse aus allen Rohren feuert.
Also insgesamt für das Finale Note 1- auf der „Doctor Who“-Notenskala.
Manchmal würde ich mir aber wünschen, der „Doctor“ könnte sich all dieser „Abwärtskompatibilität“ entledigen und all die Daleks, Sontarans usw. öfters ad acta legen und auch die wenigen noch vorhanden Zusammenspiele mit dem Militär der Gegenwart sowie so manchen überflüssigen Trip in die Vergangenheit Großbritanniens (und die historische Kleiderkammer der BBC) abschaffen. Gerade von den Drama-Momenten als letzter Überlebender eines „Zeitkriegs“ würde ich gerne mehr sehen, die tiefe „Sinnkrise“ des Doctors nicht immer nur im Vorbeigehen streifen. Mit „Torchwood“ ging das „Doctor Who“-Universum zwar auch einen erwachseneren und düsteren Weg, aber gleichzeitig auch einen Pfad weit weg von der Geschichte des Time Lords, dem letzten seiner Art. Ein stilistischer Cross-Over von „Doctor Who“ und „Battlestar Galactica“ — das wäre mal ein nettes Experiment. Aber sicherlich (und verständlicherweise) auch für viele Who-Fans eine Todsünde.
Als im Trailer für das Christmas-Special die Cybermen wieder auftauchten, konnte ich mir ein Augenrollen nicht verkneifen. Schon wieder. Aber natürlich werde ich auch dann wieder vor der Glotze kleben.
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