Archiv der Kategorie 'Reviews'


Jersey Girl (2004)

Donnerstag, 3. August, 2006

Es war ein formidables Desaster, das sich im Sommer 2003 für das Studio Miramax ankündigte: Die millionenschwere Sony/Columbia Produktion „Gigli“ war gerade hochkant an den Kinokassen gefloppt und sammelte vernichtende Kritiken in einem Umfang, der Erinnerungen an den „Glitter“-GAU von 2001 wachrief. Die beiden Hauptdarsteller (zu der Zeit das Hollywood-Traumpaar schlechthin) Ben Affleck und Jennifer „J.Lo“ Lopez wurden zum Gespött der Film-Industrie und die Beziehung zerbrach ja dann auch wenige Monate später gegen Ende 2003.

Und ausgerechnet Affleck und Lopez spielten erneut ein Paar in der gerade abgedrehten Miramax-Produktion „Jersey Girl“, das in Augen der Studiobosse nun verständlicherweise die Attraktivität eines nordkoreanischen Nuklearsprengkörpers hatte. Das Studio zog die Notbremse: Es verschob den Kinostart um ein halbes Jahr und löschte jeglichen Bezug auf Jennifer Lopez aus allen Promomaterialien. Am liebsten hätte man den Film stillschweigend im Giftschrank versenkt.

Jersey GirlDoch das ging aus einem Grund nicht, und dieser Grund hiess Kevin Smith. Denn dieser Autor/Regisseur ist nach Kult-Filmen wie „Chasing Amy“, „Dogma“, „Clerks“, „Mallrats“ und den weiteren „Jay and Silent Bob“ Produktionen eine unantastbare Größe im US-Filmgeschäft. Den kann man nicht mit „Straight-to-Video“ in die Ecke stellen. Und ausgerechnet dieser „Silent Bob“ hatte bei „Jersey Girl“ nicht nur das Drehbuch geschrieben, sondern auch Regie geführt. Bei einer romantischen Komödie. Nicht unbedingt ein Genre, das man klassicherweise mit Smith assoziiert.

„Jersey Girl“ handelt von einem jungen Vater (Affleck als Ollie), der nach dem Tod der Mutter (Lopez) die gemeinsame Tochter alleine großziehen muss. Der ehemals ehrgeizige und hippe Karrieremensch muss sein Leben komplett umstellen, zieht von New York nach New Jersey in das Haus seines ebenfalls verwitweten Vaters und gibt sich mit einfachen Straßenarbeiter-Jobs zufrieden. Erst nach vielen Jahren lernt er eine Frau (Liv Tyler als Maya) kennen, die möglicherweise seine Trauer um die große Liebe seines Lebens etwas dämpfen kann. Doch erst muss er sich zwischen seiner Karriere und seiner Tochter entscheiden… eine Entscheidung über was er wirklich will im Leben.

Also brachte Miramax den Film 2004 in die Kinos und durfte mitansehen, wie sich die Kritiker und Zuschauer in ihren Beurteilungen des Films alles andere als einig waren. Manche priesen den Film als sehr gelungenen romantischen Klassiker, der geschickt mit den Klischees des Genres spiele und von exzellenten Darstellern profitiere (Roger Ebert gab dem Film dreieinhalb von vier Sternen). Andere verrissen den Film als gäbe es kein Morgen und grummelten verächtlich ob der Kritiker-Kollegen die dem Film vermeintlich nur wegen dem Kevin Smith Bonus eine gute Note gaben.

Ich kann beide Sichtweisen nachvollziehen. Smith kennt sicherlich sein Metier und all die 1001 „Romantic Comedies“ die seit Anbeginn der Zeit auf Zelluloid gebannt wurden. Er zitiert viele typischen Elemente aus diesen Vorgänger-Produktionen, packt die Genre-Klischees dicht aufeinander, aber es fehlt eben (bis auf die wirklich allerletzte Filmszene) die ironisch-satirische Überspitzung dieser seichten Momente. Denn nur ungläubig muss man als Zuschauer akzeptieren, dass Kevin Smith wohl wirklich einen „Chick Flick“ machen wollte, eine klassiche romantische Komödie mit all den seichten und vorhersehbaren Bausteinen und stereotypen Charakteren, die nun mal zu einem solchen Film dazugehören. Doch dazu ist der Film dann nicht originell genug — man muss kein Filmbuff sein, um das Happy End des Filmes schon nach den ersten zehn Minuten in fast allen Details vorhersagen zu können. Man hat den Namen „Kevin Smith“ und seine komplette Filmographie im Hinterkopf und umso irritierender ist die schlichte und gefühlstriefende Story von „Jersey Girl“, die es sich in manchen Szenen geradezu erschreckend einfach macht (die Ansprache von Affleck vor der Dorfbevölkerung beispielsweise — WTF?).

jersey girlAber dann blitzt auch an vielen Stellen der bekannte Witz von Kevin Smith auf — viele Dialoge der Charaktere wirken frech, offen und echt. Es gibt einige wirklich gute Lacher und höchst spassige Comedy-Szenen. Doch dem stehen prompt dann schier endlose Konversationsszenen gegenüber, bei denen der springende Punkt gleich mehrmals mit dem Dampfhammer an den abwinkenden Zuschauer gebracht werden soll. Und dann zum Schluss noch eine abstrus-irritiernde Musical-Einlage, bei der sich die Haare zu Berge stellen.

Noch ein paar Anmerkungen zu den Schauspielerleistungen: Jennifer Lopez macht ihre Sache kurz, aber gut. Liv Tyler spielt die Rolle der „Maya“ überzeugend und macht den Film ein gutes Stück sehenswerter. Ben Affleck … naja … in „Dogma“ gefiel er mir eine ganze Ecke besser. Mein heimlicher Favorit war dann auch prompt Stephen Root („Office Space“) in einer kleinen Nebenrolle, der alleine schon durch seine Anwesenheit den Unterhaltungswert jeder Szene deutlich steigert.

Fazit: Kevin Smith Fans werden den Film entweder hassen oder lieben. Sogar Kevin Smith selbst zeigt mit der Rückkehr zu „Clerks II“, wo er seine Stärken sieht. Die vorwiegend weibliche „Sleepless in Seattle“-Fangemeinde dürfte zufrieden sein. Aber man verpasst sicherlich nix, wenn man den Film links liegen lässt. Warum ich dem betagten Film trotz seiner Mittelmäßigkeit hier soviel Platz widme? Das kann man wohl ebenfalls dem zuvor erwähnten Kevin Smith-Bonus zurechnen… Guilty as charged.

Ein Highlight auf der DVD soll einer der beiden Audiokommentare mit Kevin Smith und Ben Affleck sein — sogar unterhaltsamer als der Film, unter anderem weil man konsequent jegliche Erwähnung von „J.Lo.“ umschifft. Dazu bin ich aber noch nicht gekommen, ich bin schon froh, dass ich die Film-Review nun endlich mal abhaken kann 😉

"Ghost Whisperer" ab heute auf Kabel 1

Mittwoch, 2. August, 2006

Bezüglich einer Review/Inhaltsangabe der Pilotepisode der neuen Jennifer Love Hewitt Serie verweise ich einfach mal auf meinen entsprechenden Blogeintrag von letztem Jahr: Ghost Whisperer. Meine Meinung im Bezug auf die Pilotepisode hat sich seither nicht geändert. Die Episode ist eigentlich recht gut — aber wohl vor allem nur für Genre-Fans und Love-Hewitt-Anhänger ein Muss.

Der Rest der Show hingegen… naja. Es wandelt sich doch im Verlauf der Staffel flux in eine laue und seichte „Ghost of the Week“ Show. Die Potentiale, die sich in manchen Szenen der Pilot-Episode hinsichtlich funktionierenden ironischen Elementen und interessanten Season-Arcs andeuteten, wurden überhaupt nicht genutzt oder weiter ausgebaut. Lediglich das Seasonfinale konnte mit einer kleinen Überraschung aufwarten.

Kabel1 zeigt ab heute jeden Mittwoch ab 20:15 jeweils zwei Episoden der Serie als deutsche Erstausstrahlung.

The Singles Table

Montag, 31. Juli, 2006

Inhalt in einem Satz: Am Rande einer Hochzeitsfeier lernen sich fünf Singles kennen. NBC Half-Hour Comedy, Midseason.

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Quick-Preview: Ich versuche ja immer, möglich unvoreingenommen an eine neue Show heranzugehen. Das gelingt nicht immer — so auch bei „The Singles Table“. Ich hatte noch die grobe Tagline im Kopf: Irgendwas mit jungen Leuten, die sich während einer Hochzeit kennenlernen. Das klang — milde gesagt — nicht sonderlich berauschend.

Aber ich muß zugeben: Ich wurde eines besseren belehrt. 22 Minuten beste Unterhaltung, einfach ein wunderbarer und lockerer Zeitvertreib. Und zum Schluß war ich einzig darüber enttäuscht, dass die Serie erst 2007 starten wird.

Die Begündung für den hohen Unterhaltungswert dieser Comedy lässt sich mit zwei Worten zusammenfassen: John Cho. Der Mann ist schlichtweg der helle Wahnsinn — he just rocks the show. Er hat eine einnehmende physische Onscreen-Präsenz, alleine schon seine hyperaktive Mimik und Gestik reichen für den ein oder anderen Lacher — ohne jedoch allzu tief in primitive Slapstick-Comedy abtauchen zu müssen. Er macht im Grunde da weiter, wo er mit „Harold & Kumar go to White Castle“ und „Kitchen Confidential“ aufhörte. Dazu kommt die herrlich bissige Rhea Seehorn, die auch der einzige Grund war, warum ich seinerzeit über die Absetzung von „I’m With Her“ so sauer war. Die anderen drei Darsteller sind im Vergleich dazu etwas blass, aber sie sollen auch eher ruhige Elemente in die Show bringen und bilden somit den Gegenpol zu den gnadenlos überdrehten Rhea und John. Auch wenn ich „überdreht“ schreibe, so sind sie immer noch ein gutes Stückchen von „sinnlos behämmert“ entfernt — die Mischung stimmt einfach.

Natürlich profitieren alle auch von dem erstklassigen Script, das aus den fähigen Händen stammt, die auch schon für „Scrubs“, „Ed“, „Grounded for Life“ und „3rd rock from the sun“ den Stift schwangen. Genau in dieser etwas unkonventionellen Tradition steht auch „The Singles Table“. Diese Show schreit geradezu danach, das für den typischen NBC-Zuschauer etwas „zugänglichere“ Lead-In für „Scrubs“ zu werden. Zwar ist „The Singles Table“ nicht so schräg wie „Scrubs“, aber die beiden Shows würden sich in ihrer Anti-Sitcom Strategie einfach herrlich ergänzen.

Fazit: „The Singles Table“ ist sicherlich kein tiefschürfendes Drama, welches das Leben eines Zuschauers nachhaltig ändern wird — aber es ist genau das, was es sein soll: Eine unterhaltsame Comedy. Frech, frisch und unkonventionell mit einem brillianten John Cho. Eine sympathische und moderne thirtysomething-Comedy, die von der ersten Minute an begeistert — und das ohne Laughtrack. „The Class“ sollte hier mal nachsitzen: Das ist eine Lektion wie man im Jahre 2006 Comedy macht. Jetzt hoffe ich nur noch, dass die nachfolgenden Episoden da auch mithalten können und sich der Cho/Seehorn-Faktor nicht zu schnell abnutzt oder nervig wird. Wie „How I Met Your Mother“, „Kitchen Confidential“ und „Scrubs“ allerdings leider zeigen, kann der durchschnittliche US-Zuschauer nicht viel mit solchen Comedies ohne Laughtrack anfangen. Von den Quoten sollte man also nicht zuviel erwarten und auf den „The Office“-Effekt hoffen.

Shark

Samstag, 29. Juli, 2006

Inhalt in einem Satz: Anwaltsdrama um einen erfolgreichen Verteidiger, der aus schlechtem Gewissen zur Staatsanwaltschaft wechselt und dort eine Truppe blutjunger Anfänger anleiten soll. CBS.

shark2.jpgQuick-Preview: Ehrlichgesagt, dazu fällt mir nicht viel ein. Es ist eine Art „Just Legal“ Reloaded mit besserem Script, besseren Schauspielern, aber ebenso genre-typischen Charakteren und Storyprinzipien. Die beiden Hauptdarsteller James Woods und Jeri Ryan machen ihre Sache sehr gut. Es macht Spaß den beiden zuzusehen.

Aber sieht man mal von dem „großen“ Namen James Wood ab, hat die Serie kein sonderlich interessantes Alleinstellungsmerkmal. Auf CBS wird’s wohl dennoch gut laufen, weil man dort auch die entsprechende Zielgruppe bereits vorfindet. Man versucht zwar, dem alten „Matlock“-Genre etwas mehr jüngeren Pepp zu geben und auch mehr Aggressivität und Technobabbel einzubauen. Aber letztenendes ist es eben doch nicht mehr als ein weiteres Anwaltsdrama wie es sie schon seit Jahrzehnten in verschiedensten Ausprägungen gab. Da hilft auch die exzellente Hochglanz-Regiearbeit von Oscargewinner Spike Lee nicht viel.

Wer aber ein Fan dieser Art Serie ist, wird an „Shark“ wohl nichts zu bemängeln haben. Insbesondere natürlich wegen James Wood, dem diese Rolle als Anwalt ohne Skrupel (naja, zumindest zu Beginn) auf den Leib geschrieben ist und der auch jede Szene alleine schon durch seine Ausstrahlung dominiert. Seine jungen Helfer, die ihm zur Seite gestellt wurden, kommen da etwas kurz und wirken auch reichlich eindimensional.

Fazit: Nettes Prozedural für Jura-Serien-Fans mit der unvermeidlichen Dosis „ein Mann wird geläutert“. Aber bei weitem nicht vergleichbar mit Shows wie „The Practice“. Nicht mein Genre.

Friday Night Lights

Freitag, 28. Juli, 2006

Inhalt in einem Satz: Das Wichtigste im Leben der Bürger einer texanischen Kleinstadt ist das lokale Highschol-Football Team, das samt neuem Trainer unter extremen Erfolgsdruck steht. NBC.

Leichte Spoiler voraus.

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Quick-Preview: Sportfilme bzw. Dramen, welche die Spannung und Atmosphäre eines Sportereignisses auf die Leinwand bringen wollen, sind oftmals nur von eingefleischten Sportfans zu geniessen. In vielen Fällen arten vor allem amerikanische Produktionen in seichte und heroische Happy-End Filmchen mit vorhersehbarem Spannungsbogen, theatralischen Slow-Motions und überdrehtem Soundtrack aus. Das 2004 erfolgreich im Kino gelaufene Sportlerdrama „Friday Night Lights“ war da eine sehenswerte Ausnahme. Intelligent, ehrlich, emotional und spannungsreich (wenn auch nicht ohne eine Portion Pathos) setzte der von Regisseur Peter Berg auf die Leinwand gebannte Streifen neue Akzente in seinem Genre und konnte auch außerhalb von Football-Fanatikern Zuspruch ernten. Der Film handelt von einem Highschool-Football Team, das die Texas State Championship gewinnen soll. Man muss sich dabei allerdings vor Augen führen, dass in den USA Highschool- und vor allem College-Football in manchen Regionen noch populärer sind als die professionelle Football-Liga NFL. Da spielen diese gerade mal 17jährigen Schüler also auch mal vor zigtausenden Zuschauern in großen Stadien.

Knapp zwei Jahre nach dem erfolgreichen Spielfilm wagt NBC ein Experiment, das schon oft gescheitert ist: Sie lassen einen Film als TV-Serie adaptieren. Um auf den erfolgreichen Stil des Films aufzubauen, verpflichtete man für die Pilotepisode einen Großteil des kreativen Teams der Vorlage: Peter Berg schreibt das Drehbuch und führt Regie, John Cameron sowie Brian Grazer produzieren. Dazu holt man sich noch altbekannte Teen-Soap Profis wie Jason Katims ins Boot. An dem Konzept selbst wurden nur minimale Änderungen vorgenommen. Baute der Spielfilm noch auf einer Buchvorlage auf (die wiederum auf echten Ereignissen basierte) und spielte in 1988, wurde die Serie in die Gegenwart verlegt. Einige Charaktere wurden etwas ausgebaut (bspw. die Tochter des Coach) und diverse Handlungsstränge verändert und auf ein Multi-Episoden-kompatibles Erzählformat zurechtgetrimmt.

Die Charaktere wiederum sind nicht einfach nur oberflächlich gezeichnete Abziehbildchen, sondern zeigen durchaus Tiefgang. Die Show ist eben nicht nur eine Football-Serie, sondern will auch jenseits des Spielfeldes überzeugen. Denn das muss sie auch: Actionreiche Sportszenen in Stadien sind teuer und aufwändig. Lediglich die besondere Betonung der religiösen Traditionen im Herzen des „Bible Belt“ nervten etwas — die waren im Film auch subtiler.

Die cinematographische Umsetzung kann sich durchaus über weite Strecken mit der Filmvorlage messen lassen. Manche Einstellungen wurden fast 1:1 übernommen — was auch vollkommen korrekt ist, denn der Spielfilm war in dieser Hinsicht genau auf den Punkt gebracht. Das Editing ist so schnell und aufreibend wie im Original, die Sportszenen sind spannend und hautnah auf Film gebannt. Peter Berg weiss was er tut. Nur der „wackelige Kamera“-Dokustil ist in der TV-Fassung zu aufdringlich.

Der Cast macht seine Sache gut, Kyle Chandler als umstrittener Coach muss allerdings gesondert hervorgehoben werden: Eine perfekte Besetzung, auch wenn er dem Coach eine vollkommen anderen Touch gibt als der eher „rustikale“ Billy Bob Thornton.

Fazit: Hurra, nach all den „Big Secret“/Mystery/Conspiracy Shows endlich mal wieder ein komplett anderes Thema: Sportlerdrama. Gut, an einigen Stellen blinzeln auch schon wieder diverse Teen-Soap Subplots um die Ecke, aber insgesamt macht alleine schon das Thema die Serie für Sportfans sehenswert. Sporthasser werden die Show wohl ohnehin ignorieren, obwohl eigentlich auch sie eventuell über die Charaktere einen Zugang gewinnen könnten. Aber wer sich auf das Thema einlässt, den dürfte die Pilotepisode sehr zufriedenstellen. Die Pilotepisode ist ein imposantes Beispiel dafür, dass TV in Sachen Qualität in den letzten Jahren mächtig aufgeholt hat und ist eine der besten mir bekannten TV-Adaptionen eines Spielfilms.

Doch eine wesentliche Bewährungsprobe hat die Show: An einer Pilotepisode dreht man bis zu zwei Monate. Da hat man quasi ewig Zeit, um den beeindruckenden Stil der Filmvorlage nachzuahmen und so großes Kino in die kleine Flimmerkiste zu zwängen. Aber wie sieht das wohl im Serienalltag aus, wenn eine Episode in gerademal ein bis zwei Wochen abgedreht sein muss und für’s Editing auch nicht viel Zeit bleibt?

Traveler

Donnerstag, 27. Juli, 2006

Inhalt in einem Satz: Harmlosen College-Absolventen wird ein terroristischer Anschlag in die Schuhe geschoben. ABC Midseason.

Leichte Spoiler voraus.

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Quick-Review: Da ist er wieder, David Nutter. Der Mann macht einfach gute Pilot-Episoden — ich hatte ja schon letztes Jahr aus Anlass von „Supernatural“ einen Blog-Eintrag zu ihm verfasst. Und „Traveler“ ist handwerklich ebenfalls 1A inszeniert. Zwei College-Absolventen werden in ein mysteriöses Netz von Täuschungen, Mordanschlägen und dunklen Geheminissen verstrickt. Der vermeintlich beste Freund entpuppt sich plötzlich als Helfer eines möglicherweise terroristisch motivierten Bombenanschlags. Die Pilot-Episode ist von hinten bis vorne actiongeladen, plausibel und spannend mit vielen Überraschungsmomenten inszeniert. Die Darsteller liefern solide Arbeit ab, auch wenn eine Nebenrolle (die Freundin eines Hauptdarstellers) mittlerweile neu besetzt wurde.

Aber doch fehlt der Show das „gewisse Etwas“. Vielleicht ist es auch das Genre insgesamt, ich bin zur Zeit nicht sonderlich wild auf eine von Action und Verfolgungsjagden geprägte „yet another conspiracy show“. Doch wie gesagt, das ist meine Meinung. Diese Show könnte durchaus ihr Publikum finden – so wie auch „24“ und „Prison Break“ die Zuschauer in ihren Bann gezogen haben. Und für Anhänger solcher Shows ist „Traveler“ sicherlich sehr empfehlenswert. Für sie gilt im Prinzip das gleiche, was ich auch zu „The Nine“ geschrieben habe: Große Geheimnisse und üppige Arcs bergen für Zuschauer und Macher gewisse Risiken.

Die Serie visiert insgesamt wohl ein etwas jüngeres Publikum an – das zeigt sich schon an den beiden Hauptdarstellern, die beide College-Absolventen porträtieren sollen. Daher hätte ich sie eher bei FOX vermutet als bei ABC und ich bin mal gespannt, wo ABC die Serie im Sendeplan platzieren will. Vielleicht in die Nähe von „What about Brian“ — wenn die im Januar noch läuft…

Fazit: Exzellente Pilot-Episode, aber ich frage mich, ob die Show das Tempo und die Spannung der ersten Episode auch über eine komplette Staffel halten kann. Es gibt mittlerweile schon soviele Krimi/Conspiracy-Dramen mit großem Arc, und ich wage zu bezweifeln, ob „Traveler“ da wesentlich neue und sehenswerte Akzente über den Verlauf der Show setzen kann. „The Fugitive“ hat zwar gezeigt, dass man dieses Konzept auch mühelos mehrere Jahre durchziehen kann. Aber das war in den 60ern und das TV-Remake Anfang dieses Jahrzehnts war deutlich erfolgloser. Naja, warten wir mal ab, wie die TV-Landschaft in der Midseason (Januar 2007) aussieht — ich könnte mir vorstellen, dass ABC froh ist, noch so eine Show in der Hinterhand zu haben.

The Nine

Mittwoch, 26. Juli, 2006

Inhalt in einem Satz: Krimidrama um die Ereignisse bei einem Banküberfall und die Nachwirkungen für alle Beteiligten. ABC.

Leichte Spoiler voraus.

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Quick-Review: Die ersten fünf bis zehn Minuten sind irgendwie irritierend — in einem positiven Sinne. Man erwartet erstmal „just another crime procedural“, aber dann kommt ein interessanter Twist. Ein gelungener Wechsel der Erzählperspektive, der auch einigermassen überraschend kam (ich kannte keine Spoiler). Man nimmt das „Big Ensemble“+Flashback Prinzip von „Lost“ und packt es in eine Art „24“/“CSI“ Konglomerat mit Season-Wide Arc. Dazu eine ganze Liste von bekannten Schauspielern aus der zweiten Reihe. Der Anfang ist wie gesagt etwas 08/15, aber sobald man dann merkt, dass die Show in eine ganz andere Richtung geht als man zunächst dachte, ist die Spannung da. Fand ich durchaus gelungen und ich habe auch schon leicht angebissen. Wenn auch die folgenden Episoden da mithalten können, dürfte ABC mit „The Nine“ eine solide neue Show haben, die einige „24“ Zuschauer anziehen könnte.

Aber viel wird davon abhängen, wie der Show die Gratwanderung zwischen allmählicher Enthüllung der Geheimnisse und Langeweile für den Zuschauer meistert. Im Moment könnte ich mir auch nur ausmalen, wie man etwa 22 Episoden füllen könnte — darüber hinaus fehlt mir etwas die Vorstellungskraft. Es ist dieses in letzter Zeit so oft gezeigte Problem des „First Season Big Mystery“. „Lost“ hat sich da recht geschickt aus der Affaire gezogen, indem man einfach noch ein gutes Dutzend „Mysteries“ draufgepackt hat. „24“ hat ebenfalls einen Weg gefunden, indem Jack Bauer nun eben mehrere „längste Tage seines Lebens“ durchstehen muss und einige Bösewichter mehrmals recycled wurden. Für „Veronica Mars“ wurde ein „Second Season Big Mystery“ konstruiert und kam prompt leicht ins Stolpern, als zum Schluss auch nochmal die Storyline aus der ersten Staffel aufgegriffen wurde. Aber was machen Serien wie „Prison Break“ und eben auch „The Nine“? Man könnte natürlich auch für eine zweite Staffel 2/3 des Cast austauschen, aber das ist im Serien-Geschäft eine Unmöglichkeit.

Doch der Cast ist sicherlich eine noch eigene Bemerkung wert. Hier versteckt sich nämlich auch ein interessantes Ratespiel, das den geneigten Serienjunkie einiges an Grübelei abverlagt: „Wo hab ich den denn schon mal gesehen?“. Chi McBride, Scott Wolf und John Billingsley konnte ich ja noch zuordnen, aber bei Lourdes Benedicto und Timothy Daly kam ich dann ohne IMDb nicht weiter :). Ein Fest für Crossover-Fanfiction-Autoren.

Fazit: Durchaus interessant für Freunde eines gepflegten Krimi-Action-Drama mit vielen Verflechtungen und komplizierten Abhängigkeiten. Bringt aber auch die üblichen Risiken dieser Art Show mit sich: Sind die allwöchentlichen Episoden spannend genug? Wird das „Big Secret“ zu lange hingezogen? Und was ist, wenn die Show vorzeitig abgesetzt wird?

The Class

Dienstag, 25. Juli, 2006

Inhalt in einem Satz: Sitcom um das Aufeinandertreffen ehemaliger Grundschulkameraden nach 20 Jahren. CBS.

Leichte Spoiler voraus.

theclass.jpgQuick Review: Oh mein Gott, geht mir Jason Ritter auf die Nerven. Das mag auch an dem fürchterlich unterdurchschnittlichen Script für „The Class“ liegen, aber das wird noch einige Zeit dauern, bis er bei mir den gleichen Beliebtheitsfaktor innehat wie sein viel zu früh verstorbener Vater. Vielleicht soll er auch lieber bei den ernsteren Rollen bleiben – in „Joan of Arcadia“ war er ja noch einigermassen erträglich. „The Class“ wird jedenfalls nicht das neue Highlight auf seinem Lebenslauf sein. Sofern nicht noch fundamentale Änderungen an der Show vorgenommen werden, wird die TV-Season ohne „The Class“ zu Ende gehen. Erstmal ein nervender Laugh-Track aus der Dose. Dazu mäßig laue Gags (die auch schon allesamt in den Previews verheizt wurden) und dazu typisch sitcom-mäßige überzeichnete Charaktere. Letzteres mag seinen Ursprung darin haben, dass man bei acht Hauptdarstellern in einem 22-Minuten Format gar nicht genügend Zeit hat, um sorgsamer auf die einzelnen Rollen einzugehen. Das mag sich in den folgenden Episoden ändern, aber die Aufgabe einer Pilot-Episode ist es nun mal Interesse bei den Zuschauern zu wecken und damit ist nicht ein „hoffentlich wird’s nächste Woche besser“-Eindruck gemeint.Gut, da ist ein gewisser Faktor Ehrlichkeit in der Show, man versucht zumindest etwas Tiefgang anzudeuten, aber dann haut der nächste plumpe Gag die Stimmung gleich wieder ins Nirvana.

Fazit: Ja, ich weiss, von einer einzelnen Pilot-Episode sollte man insbesondere bei Komödien nicht zuviel Rückschlüsse auf den Rest der Show ziehen. Aber so wird das nix. Hie und da vielleicht ein paar Recasts könnten helfen — aber vor allen Dingen müssen die unoriginellen Sitcom-Allerweltswitzchen aus der Serie verbannt werden und die Story einzelner Episoden muss sich viel konkreter auf ausgewählte Charaktere konzentrieren. Wenn die Gags funktionieren, nervt auch der Laughtrack nicht mehr so stark. Die Grundidee hätte durchaus Potential, wenn man sie anders (weniger plump) umsetzen würde. Man will zwar allem Anschein nach irgendwie auf den „Mother“-Zug aufspringen, aber hat gleichzeitig noch „Friends“ als Zielvorgabe und verpeilt so den Trend um ein ganzes Jahrzehnt. Und nun soll diese Show auch noch als Lead-In funktionieren. Mir schwarnt Böses. CBS hat hoffentlich noch einen Plan B in der Hinterhand.

Runaway

Montag, 24. Juli, 2006

Inhalt in einem Satz: Eine Familie auf der Flucht vor Behörden und sonstigen Verfolgern: „The Fugitive“ – Family Edition. CW.

Leichte Spoiler voraus.

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Quick-Review: Es ist erstaunlich, über welche abstrusen Ausgangspunkte man immer noch auf neue Konzepte für Teen-Shows kommt. „Roswell“ war ja schon ziemlich weit hergeholt (aber funktionierte) und „Runaway“ geht prinzipiell in eine ähnliche Richtung, nur dass diesmal Erwachsene eine größere Rolle spielen (man heisst jetzt ja auch CW und nicht WB). Und natürlich fehlen die Aliens … aber wer weiss, was noch kommt ;-). Im Ernst, die Show hat mir besser gefallen, als ich im Vorneherein gedacht hatte. Es ist sicherlich kein herausragendes TV-Highlight, aber die Show funktioniert einigermassen — trotz der reichlich gewagten Prämisse. Aber man schluckt das und die dazugehörenden umständlichen Erklärungen (warum haut gleich die ganze Familie ab) überraschend leicht.

Es gab im Grunde nur eine wirklich arg durchschaubare und vorhersehbare Storyline (Stichwort: das falsche Haus). Auch in Sachen Schmalzigkeit hält sich die Show trotz Post-„7th Heaven“ Sendeplatz durchaus zurück und wenn man mal die schwache Ausführung der Rückblenden geflissentlich ignoriert, könnte das eine ganz nette Show geben. Die Serie scheint mir auf stabileren Füßen zu stehen als das letztjährige FOX-Debakel namens „Reunion“. Aber auch dieses Drama hat das drohende Problem eines „End of Story“ Designprinzips. Es gibt im Grunde nur einen großen Storyarc … und den kann man nicht endlos ziehen — maximal zwei Staffeln vielleicht mit verschiedenen Schwerpunkten, aber dann muss die Ursache für den „Runaway“ aufgeklärt sein. Doch danach wäre die Existenzberechtigung der Show mit einem Schlag dahin. Folglich muss man den vermeintlichen Hauptplot (Flucht vor den Behörden) schnell zum Nebenschauplatz erklären und eher den alltäglichen Stress des Versteckens in dem kleinen Ort zum TopThema machen. Natürlich wird es im Nullkommanix die ersten Liebschaften der beiden Teenager-Kinder geben und schon sind wir wieder feste im üblichen Teenie-Soap Fahrwasser.

Zu Cast & Crew gibt’s nicht viel zu sagen. Passable Schauspielerleistungen, einzig hervorheben würde ich Leslie Hope als Mutter zwischen den Fronten. Der Rest ist Routine.

Fazit: Die Serie ist weitesgehend unspektakulär, sie wird in dieser Form sicherlich kein Quotenrenner, aber als de-facto Nachfolger von „Everwood“ dürfte sie im „7th Heaven“ Timeslot gut laufen. Viel bessere Quoten als „Everwood“ würde ich mittelfristig aber nicht erwarten. Die Teens werden es mögen (insbesondere die zu erwartenden weiblichen Internet-Schmacht-Hymnen in Richtung Dustin Milligan werden dazu beitragen). Und vielleicht finden auch einige Ältere Gefallen daran — hängt wohl davon ab, wie groß die Rolle der Erwachsenen jenseits der Pilot-Episode sein wird.

Heroes

Sonntag, 23. Juli, 2006

Inhalt in einem Satz: Ganz normale Menschen entwickeln Superkräfte. NBC.

Leichte Spoiler voraus.

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Pilot Quick-Preview: Ich bin sehr überrascht von der ruhigen, fast schon behutsamen Umsetzung des Konzepts. Da hätte man locker eine platte „Freak of the Week“-Actionshow daraus machen können, doch man geht das Thema etwas zurückhaltender an und orientiert sich stärker an den Erzählmethoden bekannter Comic-Mythologien. Natürlich gibt es ein paar sehenswerte Special-Effects, aber sie stehen nicht unbedingt im Mittelpunkt dieses Dramas. Nein, es wird stattdessen sehr viel Zeit in die Entwicklung der Charaktere gesteckt. Und im deutlichen Gegensatz zu „Jericho“ gelingt das in meinen Augen auch im vollem Umfang: Alle Charaktere der Pilotepisode haben mich auf Anhieb interessiert. Allerdings kommen in den folgenden Episoden ja noch weitere Personen hinzu — also dies erstmal unter Vorbehalt. Auch wird die finale Episode etwas kürzer und anders geschnitten sein, was zu Lasten ruhigerer, dialoglastiger Szenen gehen dürfte. Zudem ist der noch ausstehende Greg Grunberg Subplot etwas actionreicher.

Die Philosophie der Episode erinnert stark an klassiche Superhero-Comics und an die jüngsten „Spiderman“-Verfilmungen. Es ist die Geschichte von ganz normalen Menschen, die über sich hinauswachsen — und den inneren Konflikten, die damit einhergehen. Das dürfte auch viele Zuschauer ansprechen: Da werden ganz normale Menschen porträtiert, die aber eine Sehnsucht nach Größerem haben.

Auch viele visuelle Bits wecken leichte Erinnerungen an die Sam Raimi-Verfilmungen. Vielleicht ist man hie und da etwas knapp an der Grenze zum Kitsch (vor allem mit den Voice-Overs zu Beginn und Ende), aber insgesamt gesehen hat es in meinen Augen funktioniert. Es ist auch etwas deutlich anderes als die „Smallvilles“ und „Point Pleasants“ dieses Genres, auch wenn die Serie statt auf NBC auch durchaus in das WB/CW-Lineup gepasst hätte. Produzent und Regisseur David Semel ist ein alter Fuchs im Teen-Genre (u.a. „Roswell“, „Beverly Hills 90210“, „Buffy“, „Angel“, „Party of Five“ und „Dawson’s Creek“) und das spürt man insbesondere beim Segment der Teenagerin mit Superkräften, aber auch der Part des japanischen „Star Trek“-Fans ist sehr sympathisch und echt inszeniert.

Ähnlich wie bei „Lost“ baut die Serie auf ein größeres Schauspieler-Ensemble auf. Es gibt zwar eine zentrale „Anker“-Figur, bei der wohl alle Fäden zusammenlaufen werden, doch der Cast ist eigentlich gleichberechtigt. Das macht die Geschichte ab einer gewissen Größe natürlich unübersichtlich und für den Gelegenheitszuschauer unattraktiv. Das Casting wiederum kann als durchaus gelungen bezeichnet werden — selbst Milo Ventimiglia, der mir eigentlich immer gewisse Magenschmerzen verursacht, gefällt mir recht gut. Und auch 10 Jahre nach „Profit“ freue ich mich immer noch, wenn ich Adrian Pasdar sehe.

Fazit: Man kann nur hoffen, dass die Serie einen genügend starken übergreifenden Arc entwickelt, um nicht in ein laues „Freak of the Week“-Serial zu mutieren (siehe „The 4400“). Doch die Pilotepisode verspricht eine interessante Zukunft — sie ist ungewöhnlich, aber nicht over-the-top; Sie ist mysteriös mit einem gewissen Gänsehaut-Faktor, aber sie behält einen Bezug zur Realität; Sie zeichnet Konflikte, aber ohne plumpe Genre-Klischees (und vor allem ohne Luftröhrenschnitte). Und sie ist handwerklich sauber auf Film gebannt — sie macht Lust auf mehr. Insbesondere Comic-Fans dürften (und sollten) bei dieser Serie hellhörig werden. Ob die Show jedoch genügend begeisterte Zuschauer ausserhalb der Comicfans-Fraktion finden kann, bleibt das große Fragezeichen — und wird wohl auch von NBCs Promotätigkeiten abhängen.

 

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